- 136 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Reiches.” Villa-Lobos hielt es für geboten, »alle unsere Kräfte für den Dienst am Land und an der Volksgemeinschaft einzusetzen, wobei Musik als Mittel der moralischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Erneuerung dienen« sollte.29
29
Villa-Lobos, zit. nach R. Goldemberg 1997.
Er verfolgte sein Ziel um den Preis der Instrumentalisierung durch die Diktatur, die darin – wie alle Diktaturen – ein massenwirksames Propaganda- und Erziehungsmittel sah.

Über das kulturpolitische Engagement von Villa-Lobos und den Niedergang des “orpheonic singing” schreibt Ricardo Goldemberg: It is quite consensual that the political aspect of Villa-Lobos work was very emphasized in the totalitarian government of his time. After this government fell, there was a strong reaction against all of its values and the ‘orpheonic singing’, with all its patriotic songs, was included in this reaction and started to decline.30

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Frdl. Schreiben R. Goldembergs an den Verf. vom 25. Februar 2002 – Vgl. auch seinen ausführlicheren Aufsatz Villa-Lobos and the Experience of Orpheonic Singing in Brazil – Vgl. auch David E. Vassberg, 1975, S. 168: “As SEMA expanded, it organized vast patriotic demonstrations much like the nationalistic spectacles that were current in Fascist Germany and Italy.”

Hinzu kam das administrative Unvermögen, landesweit einen minimalen künstlerischen Qualitätsstandard in der Lehrerausbildung durchzusetzen. Schließlich gelang es auch nicht, methodische Wege im Detail zu entwickeln, mit denen die (in romanischen Ländern übliche) absolute Solmisation zugunsten eines für den Musikunterricht besser geeigneten relativen Systems hätte abgelöst werden können. Hieran war schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts John Hullah gescheitert, der das aus Frankreich übernommene System von G. L. Bocquillon Wilhem in den englischen Staatsschulen zwar durchsetzen konnte, langfristig aber dem relativen “Tonic Solfa” John Curwens unterlag.

* * *

Paula Loebenstein können einerseits die Probleme des ”orpheonic singing” kaum entgangen sein, da sie in ihren Gregorianik-Kursen auch Musiklehrerinnen begegnete – unter denen die begabte Lucy Ivancko wohl von Anfang an eine Sonderstellung einnahm. Andrerseits hielt sie sich offensichtlich mit offener Kritik an dem staatlich verordneten System zurück und beschränkte sich auf die Anleitung zum gregorianischen Singen. Als überzeugte »Tedistin« konnte sie das staatlich verordnete System kaum gutheißen, ihre Abneigung aber auch nicht öffentlich machen.Veröffentlichungen scheint Paula Loebenstein auf das Thema des gregorianischen Singens beschränkt zu haben. Nachweisbar sind das von ihr erwähnte Buch: Canto Sacro (1951) und der Aufsatz Canto gregoriano – canto dos monges (1956).31

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Für Canto Sacro vgl. Anm. 25 – Canto gregoriano – canto dos monges, in: Música Sacra XVI. Vozes, Petrópolis 1956, S. 97–105.


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