- 130 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Die folgende Einführung in das Gregorianische Singen ist außerordentlich detailliert: Sachdarstellungen werden immer mit einer großen Anzahl praktischer Übungen verbunden. Hinzu kommen Analysen einzelner Stücke und deren praktische Umsetzung. Zusammenfassungen einzelner Abschnitte dienen dem besseren Überblick über das Erarbeitete.

Ein Detail, das in der Vergangenheit immer wieder zu Varianten geführt hat, ist die Frage, ob sich die Moll-Skala aus der Dur-Skala herleitet, – d. h., ob die Moll-Skala mit »do« oder »la« beginnt. Maria Frieda Loebenstein entscheidet sich für die zweite (tradierte) Form. Entsprechend heißt die Reihe des I. Kirchentons (dorisch), mit der sie beginnt, re mi-fa sol la si-do re. Die Halbtonschritte liegen in jeder Skala zwischen mi-fa und si-do. Die aus stimmbildnerischen Gründen von Kodály neu eingeführten Silben »so« (statt »sol«) und »ti« (statt »si«) übernimmt sie nicht.

Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt, daß auch der zweite Teil des Buches, »Die Choralbegleitung«, mit dem Spielen der diatonischen Reihe beginnt. Erst dann folgen Übungen zu den Kirchentönen, Material-Übungen zur Zweistimmigkeit, Improvisationsübungen und die 2- und 3stimmige Choralbegleitung. Es ist offensichtlich, daß Maria Frieda Loebenstein auch zu diesem Teil – besonders in den Übungen – beigetragen hat. Wie sie schon in ihrer Klavierpädagogik der Improvisation größten Wert zugemessen hatte20

20
Klavierpädagogik, Leipzig 1932, s. besonders Anhang »Pianistische Improvisation«, S. 113–130.
, so erscheint auch im Kapitel »Choralbegleitung« ein eigenes Kapitel »Improvisationsübungen«21
21
A. a. O. (s. Anm. 18), S. 141 ff.
.

Die Übungen in der »Choralbegleitung« werden mit relativen Tonsilben durchgeführt. Allerdings braucht man die absoluten Benennungen zur Orientierung in den verschiedenen Tonarten. Man muß sich aber klar werden, daß die relative Tonbewegung und daher die relative Tonbenennung die eigentlich wirksame bleiben muß. Die absolute Tonbenennung ist bereits ein indirektes Hilfsmittel.

Daher werden die melodischen Instrumentalübungen vor allem darauf gerichtet sein, die relative Beziehung der Melodietöne im Bewußtsein zu erhalten. Sie bleibt, ebenso wie beim Singen, richtungweisend.

Es wäre ein großer Umweg, wollte man nun bei der Begleitung etwa die Silbenreihe do, re, mi usf. mit c, d, e usf. übersetzen. Die Übertragung auf das Instrument würde einen zweifachen psychologischen Akt zur Folge haben. Soll zum Beispiel ein Stück in Es gesungen werden, so müßte einmal das do nach c und zweitens dann nach es übertragen werden. Und so wäre es bei allen Tonarten [...].22

22
A. a. O., S. 136 f. – Kodály schreibt im Vorwort zu Bicinia Hungaria I (1937): »Der so [in die Solmisation W. H.] eingeführte Schüler liest leicht und rasch. Er wundert sich nicht, daß er dem auf einen anderen Platz gestellten do stets einen anderen Namen geben muß, da ja auch der Mensch zwei Namen hat. Do-c, do-f bestimmen so den Ton wie János Szabó die Person, c oder do besagt allein nur soviel wie Szabó oder János.« (Fr. Sándor, 1966, S. 32 f.)


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