Mit dem Aufsatz Zur Kritik der Volkslied-Ideologie in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, publiziert im Jahrbuch für
Volksliedforschung11
20. Jg. (1975), S. 37–52.
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erfolgt noch einmal eine Rückkehr zur musikalischen Volkskunde, aber mit
gründlich revidiertem Blick. Mit Hilfe einer Quellensammlung von Julian
von Pulikowski, die schon 1933 erschienen war, aber erst nach 1970 als
Fundgrube für die ideologischen Implikationen des sogenannten Volksliedes
wiederentdeckt und für das Selbstbild der Volkskunde nutzbar gemacht
wurde 12
Julian von Pulikowski, Geschichte des Begriffes Volkslied im musikalischen Schrifttum,
Heidelberg 1933, Neudruck Wiesbaden 1970.
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holte Sabine Giesbrecht nach, was in der Dissertation ausgespart worden war, nämlich die
Analyse von Musik »im Kontext der sozialen Strukturveränderungen und der politischen
Entwicklung« 13
Schutte, Zur Kritik der Volkslied-Ideologie, a. a. O. (s. Anm. 11), S. 52.
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. Ein Aufsatz
über Kunst- und Trivialmusik 14
Sabine Schutte, Kunstmusik und Trivialmusik – eine Problemskizze, in: International Review
of the Aesthetics and Sociology of Music, 4. Jg. (1973), S. 81–94.
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geht einen Schritt weiter und löst die Grenzen zwischen musikalischer Volkskunde und
Kunstmusikgeschichte in Rezeption und Analyse auf. Von da an kann man bei Sabine
Giesbrecht, obwohl viele ihrer Themen von dort durchaus als eigenes Terrain
beansprucht werden, eigentlich nicht mehr von Arbeiten zur Musikalischen Volkskunde
sprechen.
Die Abkehr von dem isolierten Blick auf das, was die traditionelle
Musikwissenschaft abwertend Trivialmusik oder verschämt funktionale oder
Gebrauchsmusik nennt, wird in einem Aufsatz besonders deutlich, den Sabine
Giesbrecht für den Sammelband Musik in der Kollegschule beigesteuert
hat15
Musik in der Kollegschule. Entwurf und Materialien für einen alternativen Bildungsgang in
der Sekundarstufe II, Konzept und Redaktion Ulrich Günther, hg. vom Landesinstitut für
Schule und Weiterbildung (Soest) (= Curriculum Heft 33), o. O. 1984.
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Ihr Thema war »Musikalische Analyse in historischer
Sicht« 16
Sabine Schutte, Einführung in musikwissenschaftliches Arbeiten am Beispiel musikalischer
Analyse in historischer Sicht, in: Musik in der Kollegschule, a. a. O. (siehe Anm. 15), S.
127–147.
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Der Text begnügt sich nicht damit, die Trennung zwischen so genannter E-Musik und
U-Musik zu beklagen, sondern zielt auf seine ebenfalls getrennte analytische Behandlung
in Wissenschaft und Unterricht:
Zur »Kunst« gehört die immanente Form- und
Strukturanalyse17 .
[...] Die sogenannte »U-Musik« in ihren verschiedenen Ausprägungen wird
dagegen – eher problemorientiert
– in allgemeine politische und soziale Zusammenhänge gestellt. Versehen
mit dem Etikett »aktuell« – als ob die »Kunstmusik« nicht auch aktuell
wäre – und häufig verbunden mit gesellschaftsbezogenen Fragestellungen
– als habe die Kunst mit der gesellschaftlichen Realität nichts zu tun
– scheint sie eher die gegenwartsbezogene Thematik im Musikunterricht
abzudecken18 .
Während Sabine Giesbrecht – und das ist meiner Erinnerung nach für die damalige
Diskussion singulär – für anspruchsvollere Struktur-Analysen im Bereich |