anzuleiten
hätte«
6 .
Man hört den Einfluss Theodor Adornos, und er wird auch
an anderen Stellen spürbar, wo beispielsweise vom »überholten
Materialstand«
7
oder von der schmalspurigen Ausrichtung am Lied die Rede ist.
Aufschlussreich ist, dass Sabine Giesbrecht schon 1972, fast ein Jahrzehnt vor dem
Beginn der Studienreihe Musik, über Adorno hinausgeht, dem von Fachvertretern – m.
A. n. zu Recht – eine elitäre, praxisferne Vorstellung von den Möglichkeiten der
Musikpädagogik vorgeworfen wurde. Anhand der Klavierschule von Klaus Runze
formuliert die Autorin eine Bestimmung des Elementaren, die nicht nur für die
Früherziehung Geltung beanspruchen kann, sondern in ähnlicher Weise auch auf die
Konzeption der Studienreihe Musik zutrifft:
Obwohl Basis der musikalischen Erfahrung, ist es [das Elementare] nicht
identisch mit dem Unzusammengesetzten und Einfachen. Zwar wird die
Musik
auf ihre grundlegenden, historisch vorgegebenen Strukturen reduziert, diese
Reduktion ist jedoch Keimzelle und Ausgangspunkt für neu entstehende
Verlaufsformen, deren Konstruktionsprinzipien teils frei erfunden, teils
ebenfalls historisch gegeben sind. Es geht also nicht darum, vom Einfachen
zum Schwierigen dergestalt fortzuschreiten, daß der Komplexitätsgrad von
Stunde zu Stunde erhöht wird. Indem das Material von Anfang an in größere
musikalische Zusammenhänge gestellt wird, tritt das Elementare immer
komplex auf und verliert so den Charakter des Unvollständigen und des
Hilfsmittels.8
Zwei Aufsätze aus den siebziger Jahren beschäftigten sich mit einem Thema, das
sich in der Folge zu einem markanten Arbeitsgebiet von Sabine Giesbrecht
verdichten sollte: politische Musik bzw. politische Implikationen von Musik.
Es handelt sich um zwei Analysen zu Eisler-Liedern, dem Marburger
Studentenlied 9
Sabine Schutte, Das »Marburger Studentenlied« von Hanns Eisler, in: Protokoll der
Arbeitstagung, veranstaltet von der Kommission für Lied- und Tanzforschung der Deutschen
Gesellschaft für Volkskunde, hg. von Ernst Klusen, Neuss 1974, S. 16–25; siehe auch Sabine
Schutte, Das »Marburger Studentenlied« von Hanns Eisler. Ein Beitrag zur Kritik des
deutschen Nationalismus, in: Ich will aber gerade vom Leben singen...Über populäre Musik
vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik, hg. von Sabine
Schutte, Reinbek 1987, S. 407–418.
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und der Kinderhymne auf einen Text von Bertolt
Brecht
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Sabine Schutte, Nationalhymnen und ihre Verarbeitung. Zur Funktion musikalischer Zitate
und Anklänge, in: Das Argument. Sonderband 5: Hanns Eisler, Berlin 1975, S. 208–217.
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Auch diese Publikationen dürften den akademischen Lehrer – Sabine Giesbrecht war bis
1974 Assistentin von Carl Dahlhaus an der TU Berlin – und die musikwissenschaftlichen
Kollegen zumindest verblüfft haben: zwei Analysen, die scharfsichtige strukturelle
Beobachtungen mit einer Erörterung des politischen und kulturgeschichtlichen Kontextes
verbanden, wie es Sabine Giesbrecht in der Zukunft noch häufig tun sollte. Für
Fachfremde sei hinzugefügt, dass die Dahlhaus-Schule berühmt war für ihre dem
Kunstwerkgedanken und der musikalischen Qualität verpflichtete Analysetechnik und
dass es nahezu einem Verrat gleichkam, sich mit einer solchen Technik in die
Niederungen von politischer Musik zu begeben.