- 12 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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anzuleiten hätte«6
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Ebenda, S. 358.
. Man hört den Einfluss Theodor Adornos, und er wird auch an anderen Stellen spürbar, wo beispielsweise vom »überholten Materialstand«7
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Ebenda, S. 359.
oder von der schmalspurigen Ausrichtung am Lied die Rede ist.

Aufschlussreich ist, dass Sabine Giesbrecht schon 1972, fast ein Jahrzehnt vor dem Beginn der Studienreihe Musik, über Adorno hinausgeht, dem von Fachvertretern – m. A. n. zu Recht – eine elitäre, praxisferne Vorstellung von den Möglichkeiten der Musikpädagogik vorgeworfen wurde. Anhand der Klavierschule von Klaus Runze formuliert die Autorin eine Bestimmung des Elementaren, die nicht nur für die Früherziehung Geltung beanspruchen kann, sondern in ähnlicher Weise auch auf die Konzeption der Studienreihe Musik zutrifft: Obwohl Basis der musikalischen Erfahrung, ist es [das Elementare] nicht identisch mit dem Unzusammengesetzten und Einfachen. Zwar wird die Musik auf ihre grundlegenden, historisch vorgegebenen Strukturen reduziert, diese Reduktion ist jedoch Keimzelle und Ausgangspunkt für neu entstehende Verlaufsformen, deren Konstruktionsprinzipien teils frei erfunden, teils ebenfalls historisch gegeben sind. Es geht also nicht darum, vom Einfachen zum Schwierigen dergestalt fortzuschreiten, daß der Komplexitätsgrad von Stunde zu Stunde erhöht wird. Indem das Material von Anfang an in größere musikalische Zusammenhänge gestellt wird, tritt das Elementare immer komplex auf und verliert so den Charakter des Unvollständigen und des Hilfsmittels.8

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Ebenda, S. 358 f.

Zwei Aufsätze aus den siebziger Jahren beschäftigten sich mit einem Thema, das sich in der Folge zu einem markanten Arbeitsgebiet von Sabine Giesbrecht verdichten sollte: politische Musik bzw. politische Implikationen von Musik. Es handelt sich um zwei Analysen zu Eisler-Liedern, dem Marburger Studentenlied 9

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Sabine Schutte, Das »Marburger Studentenlied« von Hanns Eisler, in: Protokoll der Arbeitstagung, veranstaltet von der Kommission für Lied- und Tanzforschung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, hg. von Ernst Klusen, Neuss 1974, S. 16–25; siehe auch Sabine Schutte, Das »Marburger Studentenlied« von Hanns Eisler. Ein Beitrag zur Kritik des deutschen Nationalismus, in: Ich will aber gerade vom Leben singen...Über populäre Musik vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik, hg. von Sabine Schutte, Reinbek 1987, S. 407–418.
und der Kinderhymne auf einen Text von Bertolt Brecht10
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Sabine Schutte, Nationalhymnen und ihre Verarbeitung. Zur Funktion musikalischer Zitate und Anklänge, in: Das Argument. Sonderband 5: Hanns Eisler, Berlin 1975, S. 208–217.
. Auch diese Publikationen dürften den akademischen Lehrer – Sabine Giesbrecht war bis 1974 Assistentin von Carl Dahlhaus an der TU Berlin – und die musikwissenschaftlichen Kollegen zumindest verblüfft haben: zwei Analysen, die scharfsichtige strukturelle Beobachtungen mit einer Erörterung des politischen und kulturgeschichtlichen Kontextes verbanden, wie es Sabine Giesbrecht in der Zukunft noch häufig tun sollte. Für Fachfremde sei hinzugefügt, dass die Dahlhaus-Schule berühmt war für ihre dem Kunstwerkgedanken und der musikalischen Qualität verpflichtete Analysetechnik und dass es nahezu einem Verrat gleichkam, sich mit einer solchen Technik in die Niederungen von politischer Musik zu begeben.


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