von »höchster Stelle« verordnet werden, nicht zuletzt, um ein Mindestmaß an
Kenntnissen und Fähigkeiten durch (Volksschul-)Lehrer zu gewährleisten, die als
Allround-Dilettanten mit einer profilierten Unterrichtsarbeit (in allen Schulfächern)
hoffnungslos überfordert waren. – Ein Blick in heutige 5. Klassen zeigt, daß sich
zumindest im Musikunterricht nur wenig geändert hat. (Der als Fachwissenschaftler
ausgebildete Gymnasiallehrer war methodischen Zugängen gegenüber immer schon
skeptisch. Aus diesem Grunde entstammten viele Methodiker häufig anderen schulischen
oder außerschulischen Bereichen.)
Für Phleps sind die Vorgänge von 1933 ein klarer Fall von »Entjudungsaktion« durch
»Pgs«, womit alle Fronten geklärt sind:
Der Vorsitzende hat hier gut Reden, ist doch bereits auf der
,Außerordentlichen Hauptversammlung‘ am 28. November 1933 im
Tonika-Do-Bund – mit dem eliminatorischen Vokabular des Lexikon
der Juden in der Musik [...] – »die Reinigung von allen jüdischen
Elementen erfolgt«. Unter dem unscheinbaren Tagesordnungspunkt 1,
»Neuwahl eines Vertreters des Vorsitzenden«, wird Maria Leo ohne
Namensnennung aus ihrem Amt und ebenso aus den Annalen des Bundes
entfernt wie Frieda Loebenstein. Und Stier hat die Stirn, in seinem mit
aggressiven Ressentiments gegen die Moderne und die populäre Kultur
vollgeschriebenen, die hehre Kirchen- und Volksmusikkultur von jeglichem
braunen Belag weißwaschenden Erinnerungsbuch diese ,Entjudungsaktion‘
als den Wunsch der Betroffenen hinzustellen, um die »Arbeit des Bundes«
nicht zu gefährden [...].
Gleichviel. Unter den ,arteigenen‘ Tonika-Do-Volksgenossen jedenfalls sind
die Aufgaben schnell verteilt – ,Pg.‘ Stier führt weiterhin von Dresden aus
die Oberaufsicht, in Berlin übernimmt
,Pg.‘ Elisabeth Noack (von Maria Leo) die Leitung des Tonika-Do-Verlages
[...].11
Hierbei spielt der »Kreide-fressende Prototyp des evangelischen Nazis« Stier eine ebenso
fatale Rolle wie die »NS-Vielfachfunktionärin« Noack. Für Phleps bleiben die
Auslassungen Stiers in den Tonika-Do-Mitteilungen ebenso unverständlich wie das Bild
von Elisabeth Noack:
Ein merkwürdiges Bild ergibt sich,
wenn man den Bericht der NS-Vielfachfunktionärin Noack von der Nacht der
Selbsttötung ihrer Freundin Maria Leo liest, der sie bis kurz vor dem Ende
beiwohnt.12
Vgl. den Bericht Noacks im Anhang. Für den Todestag von Maria Leo werden
mehrere Daten angegeben: 2. Februar 1942 (Phleps), September 1942 (Rieger,
obwohl es sich hier vielleicht nur um den Zeitpunkt für die Abfassung des
Berichts handelt), 1942/1943 (Das Neue Lexikon der Musikpädagogik, Kassel
1994 nennt im Art. Leo zwei Daten!)
|
Natürlich ist von einem Wissenschaftler, der die Rolle von Methoden-Funktionären
aufzuklären versucht, nicht mehr zu erwarten. Ob allerdings Zeugnisse, die nicht ins Bild
passen, als unglaubwürdig oder parteilich angesehen werden müssen, ist doch wohl zu
bezweifeln.13
Für Phleps scheint »– so man denn in dieser Art des Musiklernens überhaupt einen Sinn
sehen sollte – [. . . ] Jale das schlüssigste und praktikabelste dieser Systeme« zu sein, das
sich nach 1945 in der DDR tatsächlich durchsetzen kann. – Dem wäre hinzuzufügen, daß
Jale sich nicht durchsetzte, sondern nach langen Debatten staatlich verordnet und überwacht
wurde. Hier wiederholt sich der Mechanismus des »Methodenzwangs«, der (in neuerer Zeit)
auch die Durchsetzung der Systeme von Kodály und Villa-Lobos ermöglichte. – Zu der sehr
berechtigten und notwendigen Nationalsozialismus-Kritik gibt Heinz Antholz zu bedenken:
»Diejenigen, die in unserem Fach geschrieben haben und den Vorwurf erhoben haben, es
wäre schlimm, dass man damals nicht gleich wie 1968 gedacht habe, die haben keine Ahnung
von geschichtlichen Verläufen.« (Unveröffentl. und unkorr. Interview vom 17. 11. 1999.)
|