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Krieg und Frieden ereignet sich zwischen zwei Machtblöcken. Sie wird im 20.
Jahrhundert sekundiert von einem durchaus als Krieg anzusprechenden Konflikt
zwischen einem Staat und Teilen seiner Bevölkerung: Totalitäre Regime linker
und rechter Provenienz gehen gewalttätig gegen Dissidenten und angefeindete
Bevölkerungsgruppen vor. Diese Erscheinung hat in vielfältiger Form das Komponieren
von Klagen und Anklagen evoziert, die hier nicht näher betrachtet werden
können
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Vgl. dazu Stefan Hanheide, Hans Werner Henzes Sinfonia N. 9 und die Tradition
antifaschistischer Komposition, in: Hans Werner Henze. Politisch-humanitäres Engagement
als künstlerische Perspektive, hg. von Sabine Giesbrecht u. Stefan Hanheide, Osnabrück 1998,
S. 19–55.
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Diese Facette hat noch weitere Erscheinungsweisen: Das Verhalten von Musikern und
Musikwissenschaftlern, die in jener Zeit der Diktaturen im Land geblieben sind: In
Deutschland etwa Richard Strauss oder Carl Orff und viele andere, in der Sowjetunion
Schostakowitsch und Prokofiew, schließlich viele Komponisten in der DDR. Als Pendant
sind die Komponisten in der Emigration zu nennen, Eisler und Schönberg zum Beispiel.
Ein weiteres Feld ist die Funktionalisierung von Musik im totalitären Staat bis hin zur
Musik in den Lagern. Zwar hat es in der deutschen Musikwissenschaft viel zu lange
gedauert, bis das Thema »Musik im Dritten Reich« aufgegriffen wurde. Aber inzwischen
bildet es doch einen beachtlichen Forschungszweig, der immer wieder neue Publikationen
hervorbringt.
Sowohl in diesem Bereich als auch auf dem Gebiete der Marschmusik und der Battaglia
liegen zahlreiche Veröffentlichungen vor. An Untersuchungen über Antikriegsmusik
und Friedensmusik fehlt es dagegen fast gänzlich, was ein Desiderat aufdeckt.
Zwar gibt es entsprechend zur Marschmusik oder zur Battaglia keine eigene
Gattung für die Antikriegs- und Friedensmusik. Das Verbindende liegt allein im
gemeinsamen Sujet. Aber die Existenz von mehr als 500 Kompositionen dieser
Art läßt doch die Berechtigung erkennen, sich dieser Spezies wissenschaftlich
zuzuwenden.
Einen ersten Versuch der Darstellung solcher Musik hat 2001 der
Friedensforscher Dieter Senghaas in einem kleinen Suhrkamp-Büchlein
unternommen13
Dieter Senghaas, Klänge des Friedens. Ein Hörbericht, Frankfurt a. M. 2001.
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Er hat darüber auch in verschiedenen Rundfunksendern gesprochen und in seiner Rede
zur Verleihung der Tübinger Ehrendoktorwürde. Als Eva Rieger in der
Musikforschung
eine Rezension zu dem Suhrkamp-Band schrieb, urteilte sie, daß die Musikwissenschaft
von dem Buch kaum Nutzen davon trage. Das mag so sein, denn ein Friedensforscher
wird musikwissenschaftliche Ansprüche naturgemäß nicht vollends befriedigen
können. Aber ist nicht eigentlich die Frage schon problematisch? Muß eine
musikwissenschaftliche Publikation notwendig der Musikwissenschaft nutzen?
Seitdem bekannt wurde, daß ich mich mit dieser Thematik beschäftige, erhielt ich
zahlreiche Anfragen aus vielen Wissenschaftsgebieten: aus der Kunstgeschichte, der
Zeitgeschichte, der Friedensforschung, der Theologie usw. Das zeigt also, daß viele andere
Wissenschaftsgebiete an