Friedensfeiermusiken. Johann Sebastian Bach zum Beispiel hat
nie solche Kompositionen geschaffen, weil seine Dienstherren, ob Stadträte,
Kirchenbehörden oder Aristokraten, keine Kriege führten. Anders dagegen
sein Zeitgenosse Georg Friedrich Händel, der wiederholt Kompositionen für
die militärischen und politischen Erfolgsfeiern der englischen Nation schuf.
Aber nicht erst Friedensfeiern zogen Kompositionen auf sich, sondern schon die
Verhandlungen dazu. In zahlreichen Fällen schufen Komponisten Musik für
Friedensverhandlungen. Sie kam während des repräsentativen Zeremoniells, das die
Verhandlungen begleitete, zur Aufführung. Die Kriege wurden in dieser Zeit von festen
Heeren und Söldnertruppen auf einem begrenzten Territorium geführt. Die
Bevölkerung im allgemeinen blieb weitgehend verschont. Nur in wenigen großen
Kriegen wurde die Zivilbevölkerung in beträchtlichem Ausmaß in Mitleidenschaft
gezogen. Die Bauernkriege, der Dreißigjährige Krieg und später die beiden
Weltkriege sind hier in erster Linie zu nennen. Unter solchen Umständen entstanden
Kompositionen, die man als Kriegsklagen bezeichnen kann. Sie benennen die konkreten
Auswirkungen der Gewalt und bringen die Sehnsucht nach deren Ende zum
Ausdruck.
Die Gründe für das Ausbleiben von Friedenskompositionen in der Epoche der Klassik
und Romantik können hier nicht umfassend diskutiert, sondern nur skizziert werden. Sie
dürften in der Präjudizierung einer absoluten und autonomen Musik gegenüber
jeglichen Einflüssen außermusikalischer Art liegen. Diese Präjudizierung entstammt
der ästhetischen Diskussion im 19. Jahrhundert. Aus ihr ging die »absolute«
Musik – zumindest im deutschsprachigen Raum – als höherwertig gegenüber der
sogenannten Programmusik hervor. Die Programmusik beschäftigte sich mit der
musikalischen Umsetzung von Sujets jeglicher Art. Ein solches Sujet wäre dann
auch »Frieden«. Derartige sujetorientierte Kompositionen rangierten nach der
herrschenden Vorstellung aber als Gelegenheitswerke in zweiter Reihe. Ihr Wert
lag unterhalb von den absoluten, von keinem Sujet geprägten Hauptwerken
des jeweiligen Komponisten, der jeweiligen Zeit usw. Daran konnten letztlich
auch die Vorreiter der Programmusik – Berlioz, Liszt und Richard Strauß –
nichts ändern, genauso wenig wie die argumentativen Unterstützung Richard
Wagners. Inhaltsbezogenes Komponieren findet sich selbstverständlich in der
wortgebundenen Musik. Opern, Oratorien, Lieder und Chormusik behandeln Sujets
jeglicher Art. Aber auch hier bleibt die Friedensthematik weitestgehend aus. Denn
Frieden ist ein dezidiert politisches Sujet, und Musik habe, nach der aus der
Romantik stammenden Musikvorstellung, mit der Politik möglichst wenig zu
tun. Die Musik vertritt das Hehre und Schöne in der Welt. Die Politik gehört
dagegen zur alltäglichen Realität, die als negativ und peinigend erfahren wird
und aus der man flüchtet in die heile Welt der Musik. Zum einen weist die
Musik als absolute Kunst jegliche Sujetorientierung von sich, zweitens lehnt sie
als autonome Kunst jede Funktionalisierung ab, drittens gehört die gemeine
Politik nicht zu ihren Gegenständen. Musik für Frieden, wie sie auch geartet
sein mag, hat immer ein Sujet und erfüllt immer eine konkrete