- 79 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (78)Nächste Seite (80) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Sie hat für das dritte Stück nicht Es-Dur, sondern es-Moll gewählt und es an den Anfang des Zyklus gestellt. Geht man davon aus, daß die Romanze ein Schlüsselwerk ihrer Beziehung ist, so ist die Wahl der Tonart es-Moll bemerkenswert. Den Ausführungen Janina Klassens zufolge hat Clara Wieck die Tonart es-Moll in bewußter Abgrenzung gegen die Simplizität von Salonromanzen gewählt. Geht man jedoch von der Hypothese der geheimen Beziehung der beiden Kompositionen zueinander aus, so ist es nicht die Entlegenheit der Tonart es-Moll, sondern ihre latente Beziehung zu Fis-Dur, die bei der Wahl eine Rolle spielte. Enharmonisch verwechselt gehören beide Stücke tonartlich zusammen und unterscheiden sich substantiell vor allem im Tongeschlecht42
42 Im Mittelteil von op. 11, Nr. 1 wechselt die Tonart nach Ges-Dur über A-Dur zurück nach Ges, ehe das Hauptthema wieder einsetzt. Hier wird mit dem Wechsel des Tongeschlechtes der Bezug zu Fis-Dur noch offensichtlicher.

, was zu einem latenten Beziehungskonzept passen würde. Die Terzbeziehungen zwischen es-Moll und Ges-Dur, bzw. Fis-Dur und dis-Moll lassen in der Version es-Moll zu Fis-Dur ein zwar kompliziertes, aber im System der Enharmonik zu begründendes Verwandtschaftsverhältnis auf hohem Niveau zu.


Aufschlußreich ist im Sinne dieser Deutung die Auffassung Robert Schumanns zur Charakteristik der Tonarten, die er im Rahmen einer Kritik an Christian Daniel Schubart 1835 in der Neuen Zeitschrift für Musik veröffentlicht hat.43

43 Schumann, Gesammelte Schriften, a. a. O. (s. Anm. 1), Bd. 1, S. 129 f.

Hier verneint er, daß den einzelnen Tonarten ganz bestimmte „Empfindungs-Charaktere“ zugeordnet werden könnten, hält aber die Wahl einer bestimmten Tonart für das jeweilige Werk eines Komponisten für bindend und ordnet „einfachere Empfindungen“ den „einfacheren Tonarten“ zu. Im „ineinanderlaufenden Quintenzirkel“ könne man „das Steigen und Fallen“ hin zu und weg von komplizierteren Tonarten beobachten. Fis sei der höchste Punkt, die Spitze, „die dann in den B-Tonarten wieder zu dem einfachen, ungeschminkten C-Dur herabsinkt.“ Demnach wären Fis-Dur und es-Moll, die Haupttonarten der beiden Romanzen, jene selten gehörten Tonarten mit einem herausragenden Komplexitätsgrad.

Über den Unterschied zwischen Dur und Moll läßt er sich an gleicher Stelle aus. Dur sei das „handelnde, männliche Prinzip“ und Moll „das leidende, weibliche“. Auch diese Auffassung gibt Aufschluß über das zeitgenössische Verständnis der Tongeschlechter und damit über die Interpretation des Romanzen-Paares in es-Moll und Fis-Dur. Enharmonisch aufeinander bezogen, auf der Tastatur des Klavieres miteinander verschmolzen, unterscheiden sich doch beide in ihrem durch die große und kleine Terz repräsentierten Wesen und stehen symbolisch sowohl für ihre Verschiedenheit sowie für gegenseitige Anziehungskraft und Nähe.


Komponistin und Komponist sind sich einig in der Wahrung des vokalen Momentes der traditionellen Romanze und der Einbettung einer sprechenden melodischen


Erste Seite (1) Vorherige Seite (78)Nächste Seite (80) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 79 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik