Krank,
alt und unglücklich, wie sie war, erschien ihr offenbar die
Vergangenheit mit Robert in den letzten Lebensjahren in einem idealen
Licht, und vergessen war die von ihm und seinem kompositorischen
Können seinerzeit ausgehende „Einschüchterung“.16
16
Reich, a. a. O. (s. Anm. 7), S. 301.
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Ihr sozusagen letzter musikalischer Wunsch nach dem Vortrag der
Intermezzi und der Romanze, beides Werke aus der „Brautzeit“,
kann vor diesem Hintergrund als Zeichen einer allgemeinen
Rückbesinnung auf die zentrale Phase ihres Lebens betrachtet
werden, in der die Weichen für den Verlauf ihres gesamten
privaten und öffentlichen Daseins als Frau und Künstlerin
gestellt wurden. Hat die Fis-Dur-Romanze noch eine darüber
hinaus gehende, geheime Bedeutung? Kann ihr eigener Romanzenzyklus
op. 11, der in der Brautzeit Gegenstand brieflicher
Auseinandersetzungen war, darüber Auskunft geben?
Exkurs:
Die „Romanze“ zwischen Clara Wieck und Robert Schumann
Schumanns
Werk 28 entstand etwa zur gleichen Zeit wie die Romanzen op. 11 von
Clara Wieck. Beides sind Zyklen von je drei Romanzen und gelten als
Dokumente des Verlobungsjahres 1839. Clara Wieck verwendete die
Romanze ebenso wie Schumann auch im Rahmen komplexerer musikalischer
Formen, wie z. B. im Konzert op. 7. Als kleine Instrumentalformen,
die sich – zumindest als Einzelstücke – weniger für
ein großes Publikum als für den privaten Hausgebrauch
eignen, komponierte sie ihre Romanzen op. 11 und tauschte sich mit
Robert brieflich darüber aus.
Vorausgegangen
war bereits 1833 die Komposition der Romance variée pour
piano, die bei Hoffmeister in Leipzig erschien und die die
Vierzehnjährige „Monsieur Robert Schumann“ gewidmet
hatte. In einem kurzen Briefwechsel darüber taucht bei Clara
Wieck der Begriff des Doppelgängers auf, dessen Bedeutung zwar
im Zusammenhang mit der Komposition nicht mit Sicherheit zu
ermitteln, bei der aber auch nicht ganz auszuschließen ist, daß
sie auf die sich anbahnende Nähe der beiden zueinander
hinweist.17
17
Janina Klassen, Clara Wieck-Schumann. Die Virtuosin als
Komponistin. Studien zu ihrem Werk, Kassel usw. 1990 (= Kieler
Schriften zur Musikwissenschaft, hg. von Friedhelm Krummacher u.
Heinrich W. Schwab; Bd. 37), S. 32 f.
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Robert Schumann greift, wie er in seinem Tagebuch im März 1833
schreibt, in seinen Impromptus op. 5 eben dieses Thema der
Romance variée auf und bearbeitet es in Variationen,
die ihr gewidmet sind.18
18
Wahrscheinlich stammt dieses Thema doch von Robert Schumann. Vgl.
dazu Reich, a. a. O. (s. Anm. 7), S. 307–309. Die Verfasserin
stellt darüber hinaus fest, daß die Komponistin in der
Coda eines späteren Werkes, den Variationen über ein
Thema von Robert Schumann op. 20, noch einmal an das Thema aus
der Romance variée pour le piano op. 3 erinnert. Auch
Johannes Brahms hat in seinen Variationen über dasselbe Thema
von Robert Schumann (op. 9) an Claras Romanzenthema aus op. 3
gedacht.
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Im Tagebuch erwähnt er an gleicher Stelle auch den Beginn
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