- 428 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Ein Volksschullehrer rangierte mit seinem „Jahreseinkommen zwischen 1200 und 3000“ Mark unter der vorletzten Einkommensstufe, zu der laut Statistik im Jahre 1900 etwa 124.000 Bürger der 1 888.848 Einwohner Berlins zählten, und er war damit den Sorgen der noch weniger Verdienenden gegenüber möglicherweise aufgeschlossen. Diese, zumeist Arbeiter, Frauen und Dienstboten, die mit weniger als 1200 Mark pro Jahr auskommen mußten, gehörten auch zu den 800.000 statistisch erfaßten Berlinern, „die in billigen meist von mehrköpfigen Familien benutzten Kleinwohnungen leben, in denen es nur ein beheizbares Zimmer gibt. Bei über 25.000 dieser Unterkünfte handelt es sich um Kellerwohnungen“ (Holmsten 1984, S. 294).


Der Volksschullehrer Vogler hat sicherlich in der Schule über die nötigen Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Natur- und Heimatkunde hinaus auch kulturelle Anliegen verfolgt, zumal er selber durch seine musikalischen Neigungen und seine Tätigkeit als Organist den Wert kultureller Kompetenz und in seiner Zugehörigkeit zum Bildungsbügertum die über das Materielle hinausgehende Bereicherung einer Teilnahme am kulturellen Leben seiner Zeit erfahren konnte. Die Mitwirkung von Schülerinnen an den Weihnachtsfeiern des Männer-Siechenhauses wurde bereits erwähnt. Als Fachmann für Musik wird er an den Fest- und Feiergestaltungen zu den verschiedenen vornehmlich nationalen und kirchlichen Anlässen beteiligt gewesen sein. Auch hierbei konnten Euphorie oder Distanz unterschiedlich stark ausgeprägt mitschwingen. Da Friedrich Vogler als Pazifist galt und der Politik der Sozialdemokraten zuneigte, läßt sich auch für seinen Schuldienst eine distanzierte eigenständige Meinung vermuten.


Am 8. Oktober 1901 heiratete der Gemeinde-Lehrer Karl Christian Friedrich Vogler die Gemeindelehrerin Gertrud Johanne Auguste Hering, Tochter des Königlichen Hof=Baukontrolleurs Georg Hering und seiner Ehefrau Friederike, geborene Heinemann. Diese Verbindung eröffnete dem Sohn des Bäckermeisters Zugang zum gehobenen Bürgertum und damit auch zu einer Neuorientierung bzw. Verstärkung bereits vorhandener kultureller Neigungen, die hauptsächlich im Kammermusikalischen lagen, nun aber auch die vielfältigen Kunstausstellungen der Stadt miteinschlossen.


Einige Photographien zeigen Friedrich Vogler in anderen Kollegien bzw. bei einem Ausflug mit seiner Schulklasse im Grunewald. Sie sind nach dem ersten Weltkrieg entstanden, in welchem er an der Westfront am Stellungskrieg teilnahm. Nach der Kapitulation Deutschlands kehrte er in eine veränderte Welt zurück. Allenthalben hatten sich die Frauen emanzipieren müssen, um das Überleben hinter der Front zu organisieren. Seine Ehefrau hatte bei der Eheschließung den Dienst quittieren müssen. Nun wurde sie während des Krieges


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