- 421 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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summierte sich zusammen mit den Schulbesuchen zu Arbeitsphasen von durchschnittlich 15 Stunden pro Tag.


Es ist nicht in erster Linie auf pädagogische Einsicht oder auf bildungspolitische Initiativen des Staates zurückzuführen, wenn das Elend der Kinderausbeutung allmählich reduziert werden konnte und das Prinzip der Schulpflicht siegte: Fabrikmäßige Kinderarbeit wurde durch den technologischen Fortschritt der Produktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weitgehend überflüssig. (Vgl. Herrlitz/Hopf/Titze 1993, S. 54.)


Den Untertan nach dem revolutionären Bestreben von 1848 erneut zu fixieren, war auch das Anliegen der bildungspolitischen Reaktionen. König Friedrich Wilhelm IV. verlangte deshalb 1849 vor den Direktoren der preußischen Lehrerseminare die verschärfte Aufsicht über die Volksschullehrer und ihre Ausbildung:


All das Elend, das im verflossenen Jahr über Preußen hereingebrochen ist, ist ihre, einzig ihre Schuld, [...]. Nicht den Pöbel fürchte ich, aber die unheiligen Lehren einer modernen, frivolen Weltweisheit vergiften und untergraben mir eine Bürokratie, auf die bisher ich stolz zu sein glauben konnte. [...] (Zitiert nach Blankertz 1982, S. 162.)


Der zur Durchführung der Sanktionen eingesetzte Ferdinand Stiehl, der seit 1844 im preußischen Kultusministerium arbeitete und 1850 zum Leiter der Abteilung für Volksschulen und Lehrerseminare ernannt wurde, hat das Verfahren 1858 vor dem preußischen Abgeordnetenhaus unumwunden dargestellt:


Es war die bestimmte Absicht bei dem Erlaß der Regulative, auf diesem organischen Wege in der Unterrichts-Organisation einen Abschluß zu bringen in eine Richtung, die der Schule und der Nation nach Ansicht der Regierung verderblich werden mußte, namentlich in die Richtung, die eine Emancipation der Schule von der Kirche, eine Emacipation des Lehrerstandes von der Autorität, eine Organisation des Lehrerstandes in sich [...] anstrebte.

Die hierauf bezügliche Agitation hat ein Ende nehmen müssen und darf nicht wieder Anfang nehmen. Die Schule ist die Tochter der Kirche und die Gehülfin der Familie, sie muß, wie jede dem geistigen Volksleben gewidmete Institution, dienen; mit je größerer Selbstverleugnung sie dies thut, um so größer ist ihre Ehre, ihr Erfolg. (Zitiert nach Herrlitz/Hopf/Titze 1993, S. 61.)


Hinsichtlich der Ausbildung von Volksschullehrern wurde ein „geschlossener Regelkreis schichtenspezifischer Selbstregulierung“ (Herrlitz/Hopf/Titze 1993, S. 61) institutionalisiert. Ott vergleicht diese Ausbildung mit dem Typ der heute bekannten Fachoberschule und weist auf die sorgsame Abgrenzung gegenüber der Ausbildung zum Lehrer an Gymnasien hin, die über das Universitätsstudium zu erreichen war und einen weiteren Regelkreis innerhalb „der Normierungspolitik im Kaiserreich“ darstellte (Ott 1986, S. 468).


Auch Friedrich Vogler durchlief mit recht gutem Erfolg die 74. Gemeindeschule in Berlin, besuchte dann die „Seminar=Präparanden=Schule zu Berlin“, um dann am „Königl. Seminar für Stadtschullehrer in Berlin“, weitgehend bei den gleichen Lehrern wie zuvor, zum Volksschullehrer ausgebildet zu werden. Seit


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