künstlerischen Sublimierung sehen
will; den Versuch einer Bändigung des Subjektiven im objektiven,
universellen Kontext der Tradition.
Zwar bestätigt Peter Rummenhöller diesen Standpunkt, wenn er behauptet, daß der Choral für die Komponisten zu Anfang des 19. Jahrhunderts eine andere Qualität gewinne, nämlich
eine
Art Symbolcharakter. Die nicht mehr ganz selbstverständliche
Technik wurde wieder dazu erworben, der Musik einen neuen, bewußten
Halt zu geben. Im vierstimmigen Satz bekam das Gefühlshafte in
der romantischen Musik, im Gegensatz zum Sturm und Drang und der
Empfindsamkeit, ein festes Gerüst.17
Rummenhöller zieht als Beispiel dafür die zahlreichen eingestreuten, im vierstimmigen schulmäßigen Satz verfaßten Stellen ein, die auch in Fannys Kompositionen auftauchen. M. E. haben diese Stellen in Fannys Kompositionen eine völlig andere Funktion: ich sehe sie als Modifikationen der aus der musikalischen Figurenlehre stammenden Figur der Gradatio, einer Figur, die zum Zweck der Steigerung und Betonung des vorher Gesagten benutzt wurde. Dies tun auch die choralmäßigen Einwürfe und Abschlüsse in Fannys Stücken und sind – so denke ich – unter rein dramaturgischen Erwägungen heraus zu verstehen.
Für Fanny war möglicherweise ihre ausgeprägte Traditionsbindung ein Akt existentieller Absicherung, ein Phänomen, das für sie als Jüdin von Wichtigkeit gewesen sein mag. Die Restriktionsmaßnahmen nach dem Wiener Kongreß hatten die Zugeständnisse an die Juden teilweise wieder zurückgenommen und eine zunehmende Unsicherheit der gesellschaftlichen Integration hervorgerufen. Dieser Bedrohung von außen setzt Fanny das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität in ihrem eigenen Wirkungskreis entgegen. Es äußert sich in den schon erwähnten Einwirkungen auf ein konfliktloses Miteinander in ihrer Familie und erklärt möglicherweise auch ihre Zurückhaltung in dem öffentlichen Bekenntnis zum Protestantismus. In ihren Tagebüchern und Briefen sucht man vergeblich nach irgendwelchen Anhaltspunkten. Lediglich im Zusammenhang mit bevorstehenden Reisen oder aufgetretenen Krankheiten, also Ereignissen, auf deren Verlauf der Mensch keinen Einfluß nehmen kann, fällt der Name Gottes. So lesen wir z. B. vor der Italienreise 1839 folgende Sätze in ihrem Tagebuch:
Gebe
Gott uns eine gute Reise, ohne Unfall, und stets gute Nachrichten von
zu Hause, und lasse er uns Alles unverändert finden, dann werden
wir herrliche Zeit erleben. Ich gehe diesem großen Ereignis mit
ruhiger Freude entgegen, möge sie von guter Vorbedeutung seyn.
Amen.18
Worte wie „Gebe Gott daß ...“ oder „So Gott will ...“, die häufig von ihr benutzt werden, gelten eher als Redewendungen, die nicht geeignet sind, Aufschluß über tatsächliche Glaubensposition zu geben. |