und in einem Verlag. Das gute an ihm ist, daß er nicht so viel
über Ordnung und Pflichtbewußtsein redet, ist aber
trotzdem erfolgreich. Außerdem ist er viel im Ausland, meistens
in London, hat hier und da mal eine Freundin und ist einfach nur gut
drauf. Der hat auch mal in einer Combo gespielt, so am Piano, und
nicht nur so nervigen Kram von Bach, sondern so richtige Musik. Ich
will später auch mal so etwas wie er machen – ich hoffe
nur immer, wenn ich ihn sehe, daß er mich ein bißchen
mag... Und gegen den kann ja keiner was sagen, weil er ist ja der
Onkel.
Nun will ich weg, aber wohin? Ich will anders sein, aber wie? [...] Nun sitze ich hier, das alles ist lange her, ich bin 40 und meistens glücklich, rauche meine Pfeife und denke an früher. Heute weiß ich, was fehlte und was nicht fehlte. Heute befällt mich eine eher erregte Fröhlichkeit, wenn ich an früher denke, muß das alles jeder erleben? Heute weiß ich auch, wie viele Nuancen der Identitätsentwicklung es gibt, jene tiefe depressive Phasen, in der sich die ganze Ratlosigkeit allem Tun beimischt, mich alles daran erinnert – und jene Phasen, bei der ich aus der Talfahrt kam und auf dem Berg stand, jene süße Vorahnung, die eine Zukunft verhieß, der man trauen konnte. Ist nicht jeder nur eine Summe aus vielen Identitäten, die ständig bereit ist, sich neu zu definieren? Wenn ich an meine erste Freundin denke – sie war so schön verrückt – sie hat alte Probleme abgelöst und neue geschaffen. Aber auch sie hat dazugelernt und ihren Schoß wegen Überfremdung geschlossen, sie weiß jetzt, zu wem sie gehört und was sich gehört. Wenn ich an meine erste Band denke, sie war damals die Lösung für alle Probleme, wir waren eine Familie. Als wir unsere erste P A hatten, waren wir die größten. Ich wollte was einziges sein, aber auch so wie alle, wollte nicht sein, wie die Welt mich wollte, aber wer war die Welt? Mit Scham erinnere ich mich dran, daß ich mir mal Schuhe kaufte, deren Sohlen aus massiven Holz waren und sich wie Hausschuhe trugen. Auf dem drehenden Karussell hätte ich dabei fast jemanden umgebracht. Als ich später im Internat war, lernte ich noch ganz andere Leute kennen, wir sahen aus wie die letzten Mohikaner, lange Haare und viel Revolutionsstimmung. Heute sitze ich hier, bin berauscht von den Gedanken an früher und will sie aufschreiben. Etwa so:
Er wollte nach London (Udo Lindenberg)
Mit 13 ist er zum ersten Mal |