Nachgedacht. Verglichen.
Angewendet. Übertragen. Gesammelt. Gestritten. Ausgetauscht.
Eingetragen. Gelesen. Nachgelesen. Gegengelesen. Vorgelesen.
Mitgelesen. Partitur gelesen. Gesprochen. Nachgesprochen.
Gegengesprochen. Vorgesprochen. Mitgesprochen. Widersprochen. Leise
gesprochen (bei der Gruppenarbeit). Laut gesprochen (beim
Rollenspiel). Beiseite gesprochen („wie spät ist es
eigentlich?“). Überlegt. Unterstrichen. Reingeschrieben.
Rausgesucht. Hingeschaut. Wegradiert. Eingezeichnet. Ausgegliedert.
Eingeworfen. Ausdiskutiert. Informiert. Analysiert. Definiert.
Differenziert. Modifiziert. Subsumiert. Appliziert. Transformiert.
Evaluiert. Und jede Menge konversiert, die mündliche Note zählt.
Kleinvieh macht auch Mist. Sie haben das gemacht, was für die
Lernzielformulierung eines jeden zeitgemäßen
Unterrichts-Entwurfs geltendes Recht ist: sie haben operationale
Lernziele eingelöst. S i e haben gearbeitet, vor allem sie,
weniger ihr Lehrer, der hat nur die Motoren gestartet, ab und zu mal
Gas gegeben, dann und wann gebremst, hin und wieder die
Gesprächs-Vorfahrten geregelt. Es gilt, ich weiß nicht
warum, irgendwie als besonders chic, wenn sich der Lehrer –
meistens entspannt an Fensterbänken lehnend – gleichsam
ausblendet aus einem Unterrichtsprozeß, der dann von selbst
läuft. Unterricht wird nicht erteilt, Unterricht wird
organisiert. Unterricht wird nicht mehr gehalten, Unterricht wird
gefahren. Unterricht wird nicht gestaltet, Unterricht wird
inszeniert. Nicht länger ist Unterricht ein Kunstgebilde,
sondern technokratisch kalkuliertes Rollenspiel. Was ich – z.
B. während fachdidaktischer Tagespraktika oder während
besuchsweiser Praktikumsbetreung – bei diesen inszenierten und
stets nach gleichem Ritual dahinschnurrenden Diskussionsspielchen
beobachte, nötigt mir Hochachtung ab: Schüler spielen das
Spiel zum Teil mit vollendeter Gelassenheit, mit professionellem
Geschick, mit gut einstudierter Rolle. So ein Unterricht verläuft
leise, über weite Strecken monoton, um nicht zu sagen:
langweilig. Man sitzt über irgendeinen Text oder eine
Partiturseite gebeugt, hat den Bleistift in der Hand, trägt in
die Kursmappe ein, was an der Tafel prangt. Mich erstaunt, wie
diszipliniert solche Grundkurse ablaufen; Lehrerärgern scheint
mega-out zu sein, private Binnengespräche entwickeln sich mit
größter Behutsamkeit. Geschliffener Wortwitz sorgt dann
und wann für heitere Entspannung: ein paar Lockerungsübungen
fürs sparflammenkochende Gehirn. Mit einem Wort: man ist bei der
Arbeit. Und das volle sechs bzw. acht Stunden lang.
Ich finde diese coolen Unterrichts-Dramaturgien mit Verlaub zum Kotzen. Sie machen Schüler älter, als sie sind. Sie machen Schüler erwachsener, als sie sind. Sie machen Schüler zu wissenschaftsdiskursiven Partnern, was sie nicht sind (und ob das schon Wissenschaft ist, wäre kritisch noch zu prüfen, wahrscheinlich nicht). Sie verlangen Schülern mehr Arbeit ab, als sie leisten können. Sie bewegen sich stundenlang auf rein kognitiver, auf strikt analytischer Ebene; |