- 375 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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5 Agogik


Der Begriff umschreibt das in die Hand des Interpreten gestellte geringfügige Abweichen vom Zeitmaß des Grundschlags. Eine bestimmte Art der Kennzeichnung solcher Vorgänge im Notenbild ist nicht vorgesehen. 1)

a) Es liegt nahe, diese Art des Spiels wieder mit dem subjektiven Umgang mit Musik in der Romantik zu verbinden (vgl. Kap. 2, b). Eine zeitgenaue Musizierweise ist aber ohnehin nicht denkbar. Allerdings blieb es der Romantik vorbehalten, die individuellen Ausdeutungen von Linien und anderen Klangfolgen als persönliche Interpretation in bedeutendem Umfang aufzunehmen.2)


b) In diesem Zusammenhang sind auch „standardisierte“ Abweichungen vom Grundschlag zu nennen, etwa die Verteilung der drei Viertel im Wiener Walzer und das off-beat-Spiel im Jazz. Sie werden jedoch nicht mit dem Begriff Agogik belegt.3) 4)



Ergänzungen


1) Gelegentlich taucht der Begriff Tempo rubato (it. = gestohlene Zeit) auf, meint dann aber wie Agogik die freiere Spielweise insgesamt, ohne Einzelheiten zu präzisieren.


2) Für das ausgesprochen agogische Spiel wird gern Chopin angeführt, dessen Klavierwerke in der Tat nicht ohne diese besondere Art des Vortrags denkbar sind. Hier wird an die Überlieferung von einer Generation zur anderen angeknüpft.


3) Gegenüber dem normalen Dreivierteltakt wird beim Wiener Walzer das zweite Viertel etwas zu früh, das dritte dagegen etwas zu spät gespielt. – Beim off-beat (engl. = weg vom Grundschlag) werden einzelne Töne oder ganze Phrasen gegenüber dem Grundschlag vorgeholt. In beiden Fällen kommt es zu einer besonderen Qualität der zeitlichen Abfolge mit ausgeprägtem emotionalem und ekstatischem Empfinden. Eine Notierungsweise oder genaue Spielvorschrift ist nicht möglich.


4) Formen: Die Kategorie der Veränderungen/Variationen schließt sich an. Wir unterscheiden als Haupttypen die Auflösung einer Vorgabe in immer kleinere Werte (figurative oder ornamentale Variation), die Neugestaltung durch Verändern der begleitenden Stimmen (Charaktervariation) und die Variationen über einer gleichbeibenden Baßführung (Passacaglia oder Chaconne).



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