- 360 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Der schulische Musikunterricht strebt an, daß Jugendliche die Musik verschiedener Art und Epochen sowohl unbefangen hörend genießen, als auch bewußt wahrnehmen sollen. Musikalisches Verständnis läßt sich anbahnen, wenn ein positives Verhältnis zur Musik selbst gestiftet wird. Dies gelingt nur, wenn auch die lustvollen Aspekte im musikalischen Erleben betont werden - emotional, motorisch und assoziativ. „Wenn im Musikunterricht weniger erklärt und dargestellt und dafür mehr musikalische Vorstellungsbildung (nicht irgendwelcher Aktionismus des Machens!) betrieben wird, könnte Lernen musikalisch sinnvoller und langfristig vermutlich wirkungsvoller stattfinden“4

4 Wilfried Gruhn, Wie Kinder Musik lernen, in: Musik und Unterricht, 31. Jg. (1995), H. 6, S. 12.

. Die Jugendlichen sollen weder zu musikwissenschaftlichen Experten werden, noch – ähnlich wie manche Regisseure heute – sich ironisch über die damaligen Praktiken der Opera seria erheben. Sinnvoller wäre es, erkennen zu lernen, wie Händel die steifen Konventionen durchbrach und mit Leben erfüllte und warum er dies tat. Es gelingt ihm in seinen besten Opern, menschlich-charakterliche Züge darzustellen und aus aneinandergereihten Arien und Rezitativen dramaturgisch stimmige Zusammenhänge zu schaffen. Hier gilt es anzusetzen und die Jugendlichen mit den in den Opern ausgetragenen Konflikten vertraut zu machen, um zu erreichen, daß sie sich mit der einen oder anderen Gestalt identifizieren, und damit einen Zugang zum musikalischen Reichtum der Werke erhalten.


Die Operndidaktik hat in den letzten Jahren unter dem Stichwort „Szenische Interpretation“ viele Anregungen geliefert. Manche Autoren betrachten Opern als zeit- und sozialhistorische Dokumente und suchen in ihnen Ansatzpunkte, um an aktuelle Lebensprobleme der Jugendlichen anzuknüpfen. Man hat eingesehen, daß die Vermittlung von Musik, die eine nichtsprachliche Mitteilungsform ist, nur in Notfällen sprachlich erfolgen sollte. Dies bedeutet nicht, daß durchgehend gespielt und gesungen wird, sondern eher, daß man versucht, von der Musik selbst zu lernen. Die historische Distanz kann durch szenische Darstellungen überwunden werden, die von einer Formenlehre oder Stilgeschichte abrücken und die Selbsterfahrung der Jugendlichen in den Mittelpunkt stellen. Aber auch die Polyästhetische Erziehung, wie sie von Wolfgang Roscher und anderen entwickelt wurde, kann wertvolle Hilfen für eine Behandlung der Opern liefern, denn nichts wäre verfehlter, als einseitig vorzugehen, also entweder nur die musikalisch-formalen Gegebenheiten zu beachten, oder im Gegenzug nur auf die gefühlsmäßigen Anteile zu bauen. Besondere Beachtung verdient die von Ingo Scheller erfundene Methode der „Einführung“ bei der Erarbeitung von Opern. Die Schüler und Schülerinnen sollen – ob durch Rollenkarten, Zwischenfragen, Erstellung von Standbildern und andere Methoden – einen engen emotionalen Bezug zu den Personen und dadurch auch zur Musik des jeweiligen Werkes erhalten. Durch diese Identifikation bedingt entsteht eine Annäherung, die einen tatsächlichen Lernzuwachs ermöglicht. Ein solcher Zugang


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