- 351 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Die linke Gehirnhemisphäre ist eher die ausführende, die sagt, wie das am besten getan werden kann, was getan werden soll. Die linke Gehirnhälfte ist – wie in einer Gesellschaft die Verwaltung – eine Instanz, die die Dimension Verantwortung im umfassenden Sinne des Wortes nicht hervorbringen kann. Wenn die rechte Gehirnhälfte nicht angemessen funktioniert, wirken Egoismus und A-Sozialität in der kalten Logik des eigenen Vorteils für den wenn auch kurzsichtigen Lebenserhalt des einzelnen pragmatisch, was die Gesellschaft allerdings untergräbt. (Vgl. Adamek 1996, S. 217 ff. u. 229 ff.) In der Konsequenz dieses Wissens um die Fragwürdigkeit einer verkürzten Rationalität für unseren alltäglichen Lebensvollzug und unsere Lebensraumgestaltung fordert Kerstin Kellermann neue gemeinschaftsstiftende Kommunikationsweisen und Handlungsorientierungen für den Einzelnen und für die modernen Gesellschaften ein. Sie geht dabei – im oben genannten Sinne – von einer Dialogik des Politischen aus, von einer Notwendigkeit zum „Bündnisdenken und Bündnishandeln“, „die politisch-personale Freiheit als schöpferischen Veränderungs- und Gestaltungsdrang ernst nimmt gegen jedes bloß zweckdienliche Sich-Einrichten im faktisch Bestehenden.“ (Vgl. Kellermann 1997, S. 59.)



Warum es für eine Reform des Singens im Geiste Menuhins noch nicht zu spät ist


Auch wenn nach allem Ausgeführten also heute wissenschaftlich begründet davon ausgegangen werden kann, daß unsere Gesellschaft eine lebendige Alltagskultur des Singens braucht, will ich abschließend die Frage nicht unbeachtet lassen, ob der Zug in diese Richtung nicht vielleicht schon längst abgefahren sein könnte?


Es gibt viele Gründe, darauf ganz eindeutig mit Nein zu antworten. Einige von ihnen möchte ich hier nennen:


1. Der bedenkliche Verfall der Singfähigkeit geht nicht zwangsläufig mit der industriellen Entwicklung einher, sondern es hängt von der Wertschätzung des Singens in einer Gesellschaft und deren Kommunikations- und Informationskultur ab, ob sich immer wieder zeitgemäße neue Formen des Singens herausbilden. Hier liegt viel Verantwortung auch in den Händen der Fachleute in den Medien. Was wäre, wenn über die Medien eine angemessene Wertschätzung des Singens verbreitet würde?

2. Es gab bisher in Deutschland noch keine entschiedenen gesamtgesellschaftlich relevanten Bemühungen, eine den gegenwärtigen Erfordernissen entsprechende und in den besten Traditionen der Völker gegründete Alltagskultur des Singens hervorzubringen und weiter zu entwickeln.



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