Die linke Gehirnhemisphäre ist eher die ausführende, die
sagt, wie das am besten getan werden kann, was getan werden soll. Die
linke Gehirnhälfte ist – wie in einer Gesellschaft die
Verwaltung – eine Instanz, die die Dimension Verantwortung im
umfassenden Sinne des Wortes nicht hervorbringen kann. Wenn die
rechte Gehirnhälfte nicht angemessen funktioniert, wirken
Egoismus und A-Sozialität in der kalten Logik des eigenen
Vorteils für den wenn auch kurzsichtigen Lebenserhalt des
einzelnen pragmatisch, was die Gesellschaft allerdings untergräbt.
(Vgl. Adamek 1996, S. 217 ff. u. 229 ff.) In der Konsequenz dieses
Wissens um die Fragwürdigkeit einer verkürzten Rationalität
für unseren alltäglichen Lebensvollzug und unsere
Lebensraumgestaltung fordert Kerstin Kellermann neue
gemeinschaftsstiftende Kommunikationsweisen und
Handlungsorientierungen für den Einzelnen und für die
modernen Gesellschaften ein. Sie geht dabei – im oben genannten
Sinne – von einer Dialogik des Politischen aus, von
einer Notwendigkeit zum „Bündnisdenken und
Bündnishandeln“, „die politisch-personale Freiheit
als schöpferischen Veränderungs- und Gestaltungsdrang ernst
nimmt gegen jedes bloß zweckdienliche Sich-Einrichten im
faktisch Bestehenden.“ (Vgl. Kellermann 1997, S. 59.)
Warum es für eine Reform des Singens im Geiste Menuhins noch nicht zu spät ist
Auch wenn nach allem Ausgeführten also heute wissenschaftlich begründet davon ausgegangen werden kann, daß unsere Gesellschaft eine lebendige Alltagskultur des Singens braucht, will ich abschließend die Frage nicht unbeachtet lassen, ob der Zug in diese Richtung nicht vielleicht schon längst abgefahren sein könnte?
Es gibt viele Gründe, darauf ganz eindeutig mit Nein zu antworten. Einige von ihnen möchte ich hier nennen:
1. Der bedenkliche Verfall der Singfähigkeit geht nicht zwangsläufig mit der industriellen Entwicklung einher, sondern es hängt von der Wertschätzung des Singens in einer Gesellschaft und deren Kommunikations- und Informationskultur ab, ob sich immer wieder zeitgemäße neue Formen des Singens herausbilden. Hier liegt viel Verantwortung auch in den Händen der Fachleute in den Medien. Was wäre, wenn über die Medien eine angemessene Wertschätzung des Singens verbreitet würde? 2. Es gab bisher in Deutschland noch keine entschiedenen gesamtgesellschaftlich relevanten Bemühungen, eine den gegenwärtigen Erfordernissen entsprechende und in den besten Traditionen der Völker gegründete Alltagskultur des Singens hervorzubringen und weiter zu entwickeln.
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