- 347 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Beginn in der frühesten Kindheit


Natürlich muß die Förderung des Singens so früh wie möglich beginnen, nämlich bei den Eltern. Mit ihnen in Kursen der Schwangerschaftsgymnastik beispielsweise auch viel zu singen und ihnen Freude daran zu vermitteln wäre naheliegend, denn sie können dabei auch spielend lernen, wie sie ihren Säugling später in den Schlaf singen können. Dafür brauchen wir Fachkräfte, die diese Fähigkeiten vermitteln können. Es ist alarmierend, daß man, betrachtet man es aus der Sicht anderer Kulturen, über derartige Selbstverständlichkeiten, wie die Kompetenz von Eltern zur emotionalen Kontaktaufnahme mit dem Kind durch Singen, derart sprechen muß. Daß dieses elterliche Singen ganz bedeutend zur psychischen und physischen Entwicklung des Kindes und besonders auch zu seiner Sprachentwicklung beiträgt, dessen bin ich mir angesichts des bisherigen Forschungsstandes in diesem vernachlässigten Gebiet sicher, auch wenn hier noch vieles im Detail genauer beleuchtet werden kann. (Vgl. Stern 1992 u. Tomatis 1996.)

Dr. Alfons Willeit, Kinderarzt in Italien, Initiator der internationalen und interdisziplinären Symposien Musik und Medizin in Meran und wissenschaftlicher Beirat von „Il canto del mondo“, beschreibt seine Beobachtungen über die gesundheitliche Bedeutung des Singens für Kinder, die er mit zahlreichen Fachkollegen aus seinem weiten internationalen Wirkungskreis teilt, folgendermaßen:


Als Kinderarzt beschäftige ich mich seit 30 Jahren mit dem Thema ‚Singen und Gesundheit‘. Vor allem habe ich festgestellt, daß Kinder, die auf physiologisch richtige Weise zum Singen angehalten werden, auch gerne singen, diese Kinder erkranken seltener an verstopfter Nase, an Polypen, Tonsillarhypertrophien, Tracheobronchitiden und Lungenentzündungen; auch Otitiden und Hörstörungen sind bei diesen Kindern Ausnahmen. Die Atmung mit offenem Mund, mit den spröden Lippen und den trockenen Mundschleimhäuten, mit verstärktem Durstgefühl und gesteigerter Infektanfälligkeit beobachtet man bei singenden Kindern nur selten. Auch sind sie meistens fröhlicher und haben weniger Stimm- und Stimmungsstörungen. Sie hören besser, ihre Aussprache ist differenzierter und sie sind im allgemeinen bessere Schüler. (Willeit 1999.)


Die qualifizierte Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern in der Anleitung von Kindern zum Singen ist die zweitwichtigste Maßnahme. Im Kindergarten müßte mehrmals am Tag zehn bis fünfzehn Minuten gesungen werden, damit sich die kindlichen Stimmen entwickeln können und das Kind sich im Singen zu orientieren lernt. Dann folgt die Grundschule, in der bezüglich der Häufigkeit ähnliches gilt. In der Zeit der Pubertät ist Singen in der Schule nur dann sinnvoll, wenn eine Atmosphäre herrscht, in der auch über emotionale Dinge gesprochen werden kann. In dieser Zeit ist diesbezüglich besonderes Feingefühl gefordert, wenn man die Freiwilligkeit und Eigenständigkeit des jungen Menschen nicht einschränken will. Hier ist besonders die Volksweisheit zu beherzigen: „Lieben und Singen kann man nicht zwingen“. Man könnte auch ergänzen „darf man nicht zwingen“. Vielleicht kommt der


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