- 344 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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zu singen weitgehend in die Intimsphäre zurückgedrängt hat, wo es sich verständlicherweise nur rudimentär entfalten kann. Ein Zeitungsartikel zum Thema Singen heute vor dem Hintergrund der Gründung von ‚Il canto del mondo‘ wurde wie folgt betitelt: „Peinlich, aber gut. Singen gilt zwar als gesund, im öffentlichen Raum aber auch als deplaziert.“


Anhand des eingesetzten Persönlichkeitstests (FPI) zeigte sich: Menschen, die sich im Verlauf ihrer Sozialisation durch die Eltern, das soziale Umfeld, den Kindergarten, die Schule, die Jugendgruppe etc. Singen als Alltagsfähigkeit aneignen konnten, d. h. die damit auch in der Lage sind, durch Singen die seelischen Belastungen des Alltags besser zu bewältigen und in positive Gestaltungskräfte umzuwandeln, nannte Adamek „Singer“. Im Vergleich zu „Nicht-Singern“ sind „Singer“ den Untersuchungen zufolge durchschnittlich signifikant gesünder, und zwar sowohl psychisch als auch physisch. Sie sind durchschnittlich lebenszufriedener, sind ausgeglichener und zuversichtlicher, haben ein größeres Selbstvertrauen, sind häufiger guter Laune, verhalten sich durchschnittlich sozial verantwortlicher und hilfsbereiter und sind psychisch belastbarer. (Vgl. Adamek 1996, S. 186 ff.)

Schon zwanzigminütiges Singen führt zu signifikant höherer physischer wie psychischer Leistungsfähigkeit von Probanden (vgl. Adamek 1996, S. 173 ff. u. 180 ff.).


„Singer“ haben allem Anschein nach bezüglich der Ausnutzung ihrer Ressourcen zur Lebensbewältigung gegenüber „Nicht-Singern“ deutliche Vorteile. „Singen rückt somit immer mehr in den Blick als unersetzbare Basis für die Persönlichkeitsentfaltung in Richtung eines (trotz allem) gelingenden Lebens, als eine unversiegbare Quelle, die in Zeiten universaler Knappheit und Spargebote als regenerative persönliche und soziale Ressource begriffen werden kann.“ (Vgl. Adamek 2000.)


Natürlich sind die empirisch erfaßbaren Sachverhalte nur Indizien für die ungeheuer komplexen Prozesse beim Singen, in dem noch viel mehr pädagogisch bedeutsames Potential enthalten zu sein scheint, als hier ausgeführt werden kann oder überhaupt schon sichtbar ist.


Selbstverständlich ist auch die kritische Frage zu stellen, ob das alles nicht nur Scheinzusammenhänge auf der Basis statistischer Artefakte sein könnten, denen man, aus welchen Gründen auch immer, mehr Bedeutung zumißt, als ihnen tatsächlich zukommt? Da die verschiedenen angewandten empirischen Verfahren Ergebnisse erbringen, die alle eindeutig in die gleiche Richtung weisen, ist dies unwahrscheinlich. Hinzu kommt, daß Schulversuche in der Schweiz mit erweitertem Musikunterricht ebenfalls diese Richtung anzeigen. Auf Kosten der Hauptfächer wurden an über 40 Schulen drei Wochenstunden mehr Musikunterricht


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