- 323 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Lehrerbildung, wenn er im Überschwang der Gefühle formulierte: „‚Volk ans Gewehr‘ klingt wie das Knallen eines Gewehrs.“ Und über v. Schirach/Borg­manns Unsre Fahne flattert uns voran verkündete er, daß sich in „‚Vorwärts, vorwärts‘ mit seinem fanfarenartigen Anfang die Hochgestimmtheit der neuen Zeit spiegelt“. Und: „Wenn der Ruf ‚Volk ans Gewehr‘ durch die Straße knallt (sic! H. L.), so kündet er die... Bereitschaft zu Einsatz und Opfer in dem aufwiegelnden Ton der Werbung und Drohung (sic! H. L.).“88
88 Pfannenstiel 1936, S. 121


Zum Schluß hier noch zwei Schlaglichter, die bezeichnend sind für die damalige Situation und die belegen, daß es im Dritten Reich nicht immer beim „aufwiegelnden Ton“ und bei der von Pfannenstiel gedeuteten „Drohung“ blieb.


Der führende NS-Musikpolitiker Herbert Gerigk, 1940 Herausgeber eines viele Künstler diffamierenden Lexikons der Juden in der Musik, der immerfort gegen jüdische Künstler und Kulturpolitiker (wie z. B. Leo Kestenberg) zu Felde zog, stellte 1943 nach „zehn Jahren nationalsozialistischen Musiklebens“ zufrieden fest: „Der Jude wurde schnell beseitigt, wo man ihn erkannte. Über Nacht war – aufs Ganze gesehen – der Spuk beseitigt.“89

89 Herbert Gerigk, Zehn Jahre nationalsozialistisches Musikleben, in: Die Musik, Jan. 1943, S. 105. Zit. nach Lambrecht 1990, S. 140.


Zweites Schlaglicht, die Schulrealität betreffend: Hermann Langer beschreibt die Wirkung rassistischer Indoktrination an einem mecklenburgischen Schülerbeispiel, das sicherlich einen Extremfall darstellt, aber doch zeigt, wohin die antisemitische Vergiftung der Psyche bereits im Jugendalter führen konnte.


„Für manche“ Jugendliche „waren jüdische Mitschüler die ersten sichtbaren Feinde. Nach der sogenannten Reichskristallnacht vom 9. zum 10. November 1938 wollten Mitschüler der Großen Stadtschule in Rostock den einzigen jüdischen Schüler, der noch geblieben war, lynchen. Es zeugt von menschlichem Anstand, daß der Direktor Dr. Walter Neumann ihn persönlich vor seinen Peinigern bewahrte.“90

90 Langer o. J. [1990er], S. 89.


Die hier etwas mosaikartig zusammengestellten Belege – die vielfach ergänzt werden könnten – können wohl deutlich machen, welchen realen oder auch nur potentiellen Einfluß die NS-Indoktrination hatte, auch im Bereich der Musikerziehung. Die Anstiftung zum Judenhaß war ein Grundelement nicht nur der allgemeinen NS-Propaganda, sondern auch der Pädagogik in allen ihren Bereichen. Es mag mancher im realen Leben, auch im Schulleben, von dieser Indoktrination durch glückliche Umstände wenig berührt worden sein: es wäre nicht sachgerecht, mit einigen allgemein gehaltenen, verharmlosenden Formulierungen


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