- 302 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Der Musikwissenschaftler Gotthold Frotscher führte im Mai 1939 an der Schulmusikabteilung der Kölner Musikhochschule einen Lehrgang durch mit dem Thema: „Rassegedanken in der Musikerziehung.“ Nach Frotscher „erwächst auch der Musikerziehung die Pflicht, rassisches Denken zu vermitteln“.29

29 Lemmermann 1984, S. 531.


Die Musiklehrer sollten sich 1940 an der Meinung des Musikwissenschaftlers Friedrich Mahling orientieren, der damals mit Erleichterung feststellte, daß Mendelssohn, Mahler und der ganze jüdische „Spuk inzwischen hinweggefegt wurde, um weder in Deutschland, noch... in ganz Europa jemals wieder Einfluß zu gewinnen. Dafür werden die sorgen, die ihm ein Ende bereitet haben.“30

30 Völkische Musikerziehung, Jg. 1940, H. 12, S. 311.

Auch z. B. Karl Blessinger (1944) zog verächtlich her über jüdische Komponisten wie Mendelssohn, Meyerbeer und Mahler. Er resümierte „nach fünf Jahren des von Juda herbeigeführten Weltkrieges“ (S. 156). Er wies schwärmerisch hin auf den Führer, der auch auf musikalischem Gebiete „uns klar blicken lehrte“ (S. 156). 1938 empfahl der Musikpädagoge Michael Alt, im Schulmusikunterricht „vor allem“ Richard Wagners „Abhandlung über das ‚Judentum in der Musik‘“ zu behandeln. Und zwar „sollte man diese Abhandlung als Ganzschrift lesen... Es ist erstaunlich, wie gegenwartsnah und lebendig diese Darstellung in unserer Zeit wirkt. Sie ist als Ausgangspunkt für die Erörterung dieses kulturpolitischen Problems hervorragend geeignet.“ (Michael Alt, Das musikalische Schrifttum im Musikunterricht, in: Völkische Musikerziehung, Jg. 1938, H. 11 (Nov.), S. 506.)

In Deutsche Musikkunde für die höhere Schule, 2. Teil, für die 5.–8. Klasse, hg. von Adolf Strube, Leipzig: Merseburger 1942 werden den Schülern Auszüge aus dem von Michael Alt so hoch gelobten Wagner-Pamphlet von 1850 geboten. Wagner schildert den Juden als den „herzlosesten aller Menschen“ (S. 331). Der Komponist wird als Gewährsmann nationalsozialistischer Weltanschauung herangezogen: „Der Jude hat nie eine eigene Kunst gehabt...“ (S. 331). „Der Jude, der ... unfähig ist, ... durch seinen Gesang sich uns künstlerisch kundzugeben...“ (S. 330); „wir müssen die Periode des Judentums in der modernen Musik geschichtlich als die der vollendeten Unproduktivität, der verkommenden Stabilität bezeichnen“ (S. 333).

Wagner wird vom Herausgeber gefeiert, u. a. deswegen, weil „dessen Ideen auf völkischer Grundlage ruhten und weit in die Zukunft wiesen“ (S. 448). Zusammen mit Rosenberg- und Hitler-Texten (Wagner: „... der gewaltigste Meister der Töne unseres Volkes“, S. 278 f.) wird der Komponist als eine Art ewige Lichtgestalt germanisch-deutschen Kulturwillens herausgestellt.

(Zu dieser Problematik und ihren historischen Wurzeln s. Lemmermann 1984, S. 369 ff.)

In seinem Band Das Rasseproblem in der Musik von 1939 setzte sich der Musikwissenschaftler Friedrich Blume mit den zumeist dürftigen und ideologisch orientierten „Forschungen“ zu diesem Thema auseinander, verstieg sich aber auch selbst zu skurrilen Deutungen wie den folgenden: „Germanisch-nordischer Geist“ habe die „Hochleistung der Mehrstimmigkeit“ hervorgebracht – und mit diesem Geist seien eben „nur die Völker nordischer oder nordisch vermischter Rasse begabt“. Er war allen Ernstes der Meinung, „daß eben dieses rassische Moment es ist, das uns Heutige an Bach so gewaltig ergreift, ...die gewaltige Entladung nordischen Geistes und nordischer Lebenskraft“. Im übrigen prognostizierte


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