- 275 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Dazu gehören Tonname mit Abweichungsgrad, besondere Effekte wie Schwebungen oder Mehrklangigkeit u. a.


Resonanz


Eines der wichtigsten Kriterien für den Projektwert eines Materials ist sein Resonanzverhalten. Diesbezügliche Experimente gehören zu den Routinearbeiten des Klangwerkers. Sie können nicht skurril genug sein, um immer wieder – ganz ohne einen philosophischen oder esoterischen Background – die Feststellung, daß die Welt Klang sei, zu bestätigen. Ein zu ohrenbetäubendem Pumplärm verstärkter Herzschlag als Taktgeber beim Live-Auftritt einer Rockband ist hier u. U. weniger aufregend als z. B. der im einfachen Selbstversuch vom Fußknöchel aus mittels Knie-Ellenbogen-Fingerspitzen-Brücke überraschend sicher an den Gehörgang transportierte Ton einer 30 g schweren Stimmgabel. Das einsaitige Schnürsenkel-Zupfinstrument, direkt am Fuß gespielt, ist auch ohne Kontaktmikrophon mindestens musikkabarettfähig. Wer im Zeitalter der CD noch eine Schallplatte besitzt sollte nicht auf die Demonstration des musikalischen Postkartengrußes verzichten, der beim Aufsetzen der Papiermembran in die rotierende Rille als Resonanzeffekt erklingt und die Vorzüge der analogen gegenüber der digitalen Musiktechnik – mindestens für Zeiten der Energieknappheit – bewußt machen kann.


Jedes ausgemusterte Schulmöbelstück, ob Stuhl, Tisch, Pult, Schrank, auch einzelne Platten und Bretter können bei übergespannten, angehängten, angeklemmten, eingeschlagenen oder einfach aufgelegten schwingenden Gegenständen als Resonatoren gute Dienste leisten. Man mache die Probe aufs Exempel mittels Saiten (Bindfäden, Seilen, Saitenabfall aus dem Musikalienhandel, Gummibändern, Drähten u. a. – über Stege laufend oder nur über die Kanten gezogen), Zungen (federnden Metall- und Kunststoffstreifen, Nägeln, Fahrradspeichen, Holzbrettchen bzw. -leisten u. a.) oder – besonders überzeugend – mit Metallgittergestellen, einem Rad mit gut gespannten Speichen o. ä. Am einfachsten zu beschaffen und erstaunlich resonanzeffektiv sind stabile Stapelkartons sowie Styropormaterialien. Durch den Umstand, daß diese auch in Massen aus den überquellenden Entsorgungsdepots z. B. der Hi-Fi-Gerätehändler abgeholt werden können, kommt ihnen vor allem bei einigen Installationen, die das Resonanzprinzip in den Vordergrund stellen, eine projektspezifisch musikalische Eigenbedeutung zu. Bei Pappe sind allerdings luftfeuchtigkeitsbedingte Schwächen einzukalkulieren.


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