- 272 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Projekt sind daher alle Objekte von vornherein willkommen, die sich zweifelsfrei einer der dort angestammten Kategorien zuordnen lassen. Andererseits sind gerade Zwittermaterialien besonders attraktiv, die – wie in der experimentellen Musik auch mit herkömmlichen Instrumenten vielfach nachzuweisen – ihren Reiz daraus beziehen, daß sie in Hinsicht auf ihre akustischen Eigenschaften in mehrere Merkmalgruppen zugleich tendieren. Die verschiedenartigen ‚Rohrklinger‘ der obigen Skizze sind hierfür nur ein Beispiel unter anderen.

Überhaupt richtet sich das Ohrenmerk der Klangfahnder im Projekt schwerpunktartig gerade auf solche Qualitäten, die der Musiker in der Regel als störende Begleiterscheinungen zu unterdrücken sucht. So wird schon durch die materialbedingten Grenzen musikalischer Ausdrucksfähigkeit das Spektrum der Geräusche jenseits der traditionell ästhetisch akzeptierten Perkussionseffekte zu einem Hauptfeld des analysierenden und gestaltenden Ansatzes der Projektarbeit.

In diesem Zusammenhang hat die Emanzipation des Geräuschs eine echte Chance. Sie ist hier nicht mehr nur als Ziel anzusehen. Auf Grund der Entscheidung, das Schwingungsphänomen selbst zum Gegenstand zu machen, wird sie bereits als Voraussetzung akzeptiert. Damit gehen im Projekt konkret lösbare Fragen nach Merkmalen physikalischer Existenz den unlösbaren psychologischen Fragen des musikalischen Geschmacks voraus. Entsprechendes Einsehen durch Einhören zu bewirken ist eine der Hauptaufgaben des Projekts.

Wenn es gelingt, in dieser Beziehung Neugierde zu wecken und kreativ praktische Aktivitäten auszulösen, dann kann das Projekt mit elementaren Mitteln musikalische Prozesse in Gang setzen und Wirkungen erzielen, die – quasi handgemacht – den Vergleich z. B. mit einem Erdbebeneffekt nicht zu scheuen brauchen, wie er in Spielbergs erstem Indiana-Jones-Abenteuer, u. a. aus einem Apfelbiß gesampelt, breitwandgerecht zum Katastrophen-Surround-Sound aufgeputscht wird. Immerhin besteht die Chance, der medienbedingten Entfremdung und Wahrnehmungsstumpfheit gegenüber den grundlegenden physikalischen, physiologischen und psychischen Bedingungen von Musik durch kreativ handelnde Teilhabe an der Klangerzeugung und -formung bzw. durch den dafür erforderlichen Aufwand eigener Energien in der Projektarbeit entgegenzuwirken.

Da das Material sowohl für geräuschhaften als auch für tonal orientierten Umgang geeignet ist, stellt das Schwingungen-Projekt einen idealen Rahmen für differenzierte musikalische Gestaltung dar. Auf der Geräuschseite sind die Qualitäten so vielfältig wie die Materialien selbst und die Möglichkeiten, die sie im Hinblick auf ihre phantasiereiche Verwendung und Handhabung einschließlich substanzieller, klanglich relevanter Eingriffe zulassen.



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