- 25 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Für umfangreiche Betreuungsaufgaben in diesem durch die Prüfungsordnung ausgewiesenen Bereich beantragten wir zwei Stellen für Akademische Räte, da wir ahnten, daß junge Wissenschaftler einen sehr viel unmittelbareren Zugriff auf musiktechnische Geräte haben würden. Ich selbst hatte, bei aller Neigung zu diesen Dingen, den Wunsch, den Lötkolben eines Tages aus der Hand zu legen und mich anderen, vor allem historischen Dingen, zuzuwenden. Dieser Wunsch erfüllte sich erst Jahre später, als wenigstens eine der beiden beantragten Stellen besetzt werden konnte:

Bernd Enders kam genau zu der Zeit, als der Wechsel von der analogen zur digitalen Technik einsetzte. Ich war froh, die Technik jetzt nur noch prinzipiell verstehen zu müssen. Dagegen interessierte mich weiterhin das, was bei all dem immer größeren technischen Aufwand musikalisch herauskam.

Wir hatten schon einige Erfahrungen im apparativen Bereich gesammelt und gesehen, daß diese Ausbildung keineswegs geeignet war, künstlerische Defizite zu verschleiern, allenfalls wurden hier ganz neue Zugangsmöglichkeiten zu künstlerischen Prozessen eröffnet. Da waren einerseits Studierende, die noch erhebliche Schwierigkeiten mit der allgemeinen Musiklehre hatten, aber trotzdem eine hohe Sensibilität für musikalische Abläufe entwickelten. Zugegeben, daß das Ausnahmen waren – die überzeugendsten Arbeiten entstanden in der Regel auf einem breiten musikpraktischen Hintergrund. Arbeiten mit konkreten Klangmaterialien im Sinne der musique concrète, erwiesen sich meistens als leichter als die abstrakteren Gestaltungen aus elektronischem Material – was wohl auch heute noch so ist.

Bei der Ausarbeitung solcher Tonbandarbeiten kam es häufig zu Grundsatzdiskussionen über den Zusammenhang ästhetischer Fragen mit den eigenen musikalischen Vorerfahrungen. So traf ich bei der Betreuung von Arbeitsgruppen eines Tages auf zwei Kampfhähne, einen Flötisten und einen Geiger, die eine gerade zusammengeschnittene Stelle höchst aufgeregt mit „das geht“ und „das geht nicht“ kommentierten, aber mit keinem Argument über diesen Punkt hinauskamen. Die Aufdeckung und Reflexion eigener ästhetischer Voreinstellungen und Entscheidungskriterien führte am Ende zu einem Ergebnis, dessen Vergleich mit einer ähnlichen Produktion aus einer anderen Hochschule spannende neue Diskussionen auslöste.

Das zugrunde liegende Stück war übrigens eine graphische Partitur von Earl Brown (Dec. ’52), die wir in einem Grundschul-Lehrbuch als Illustration gefunden hatten.


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