Stufe in Moll, so kann der Akkord des dritten Taktes als übermäßiger
Quintsextakkord zur selben Tonart gehören. Dies wäre
im Fall unseres d-f-as-c-Klangbeispieles der Akkord des-f-as-h, ein
Fall, der dann seine Auflösung (mit Mozart-Quinten) in C-Moll,
besser noch: C-Dur findet – Notenbeispiel 2e. (Für den um
eine kleine Terz höher liegenden Anfang des Tristan-Vorspiels
liefe dies auf die Tonartenzuschreibung Es- bzw. Dis-Moll/Dur
hinaus.) Tatsächlich findet man diese Auffassung auch bei Wagner
selbst: beispielsweise in Takt 182–184 bzw.
Peters-Klavierauszug, S. 11, 2. Takt des 4. Systems bis dessen Ende
(ebenso als Sequenz davon in T. 186–188) und zwar in der zuvor
bereits genannten Transpositionsstufe, jener, die mit dem Klang
d-as-c1-f1 beginnt, auf C-Moll beziehbar ist
und auch drei Been vorgezeichnet hat (in der unmittelbar folgenden
Sequenz sind es dann die Töne e-b-d1-g1).
Dieses Beispiel ist für den vorliegenden Zusammenhang doppelt
interessant insofern, als es einerseits neben den „liegengelassen“
Tönen, die zwischen den Stimmen kreuzen, jeweils zusätzlich
eine weitere Stimme gibt, die sogar im wörtlichen Sinne
liegenbleibt, nämlich das hinzutretende f1 in der
Singstimme („O zahme Kunst...“)! Andererseits ändert
Wagner die enharmonische Schreibweise des jeweils zweiten Klanges
dieser zweimal wiederholten Akkordverbindung: zwar lautet er im
Peters-Klavierauszug durchgängig des-f-as-h (entspricht
Notenbeispiel 2e), in der Partitur jedoch findet sich diese
Schreibung nur in der zweiten Hälfte von Takt 184, wohingegen in
den beiden vorherigen Takten das des als cis notiert ist (entspricht
Notenbeispiel 2d). Analoges gilt für Takt 186–188. Die
originale Notierungsweise wirft ein bezeichnendes Licht auf Wagners
implizite Harmonietheorie: die Baßlinie notiert ihren
Tonwechsel enharmonisch als d-cis solange wie sie jeweils zum d
zurückkehrt, d. h. als „echten“ diatonischen und
nicht als chromatischen Halbtonschritt, wohingegen eben diese
Schreibweise d-des bei der Fortführung der Baßlinie in die
nachfolgenden Töne c und H von Takt 185 zur Anwendung gelangt.
Offensichtlich ist die Wagnersche Orthographie primär an der
horizontalen Stimmführung orientiert und nicht an der Logik der
Vertikalen mit ihrem Terzschichtungsprinzip, die hier eher einen
übermäßigen Quintsextakkord nahelegen würde.
Nun wäre in der Tat das Kriterium: Intervallstruktur eines vermindert-kleinen Septakkordes (bzw. eines weichverminderten Septakkordes in dritter Umkehrung – je nach Notierungsweise) plus Fortführung des Grundtones (bzw. der Quinte) sowie der kleinen Sept (bzw. der Quinte) jeweils um einen chromatischen bzw. diatonischen Halbton abwärts ein sehr scharfes Kriterium zur Tristan-Akkord-Bestimmung, durch dessen Raster die meisten der angeblichen Vorläufer fielen. Ein einziges dieser vielfach behandelten Vorläufer-Beispiele sei unter diesem Gesichtspunkt näher betrachtet sowie – zweitens – ein bislang kaum beachtetes hinzugefügt. Ferner sei – drittens – dieses Kriterium zur Bestimmung eines ebenfalls wenig bekannten Tristan-Zitates herangezogen und schließlich – viertens – eine Konsequenz dieser Art von Bestimmung des Tristan-Akkordes problematisiert.
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