- 237 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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markanten chromatischen Abstieg gis-g-fis. Der Schönbergsche zusätzliche Witz (von „Gag“ zu sprechen, verbietet sich bei diesem Komponisten von selbst) besteht nun darin, daß er zwar – wie Debussy – auf die zentrale Akkord-Verbindung verzichtet, dafür aber gleich zwei Akkorde mit der Struktur des vermindert-kleinen Septakkordes an dieser Stelle hintereinander schreibt: die Begleitung von Takt 20 besteht aus den Tönen E-B-d-b1, zu denen am Taktende das g1 (und g2) als Vorhaltsauflösung in der Melodie hinzutritt (das sind Wagners Töne F-H-Dis-Gis um einen Halbton nach unten transponiert), Takt 21 hat dieselbe Tonhöhenstruktur, nur eine Quarte höher bzw. Quinte tiefer als im Vortakt: A-es-es1-g1-c2-g2. Dieser letzte (Pseudo)-Tristan-Akkord wird durch die Lösung des g ins fis zum „stinknormalen“ – dieses Wort sei im Kontext einer Late-night-comedy einmal ausnahmsweise erlaubt – verminderten Septakkord. (In beiden Takten wurde von der Wagnerisch-scheinpolyphonen Stimme der 2. Bratsche und des 2. Cellos abgesehen: sie umschreiben lediglich Töne, die in den anderen Stimmen bereits vertreten sind.) Die Verklärte Nacht, berichtet Schönberg selbst, klang „zur Zeit der Uraufführung des Werkes (1901) [recte 1902] so rauh, daß die Leute sagten: »Es klingt, als ob ein Orchester, das Wagners Tristan und Isolde spielt, verwirrt worden und auseinander gekommen wäre.«“ (Schönberg 1937, S. 340.)

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HS: Das ist dasselbe wie diese Subdomihnm...[unterdrückt die Aussprache ins Unverständliche wie jemand, der sich des korrekten Wortlautes nicht sicher ist]-Dominante hier bei Wagner. Und ich habe das oft gedacht, im Autoradio in der Kassette, wenn ich das gehört habe, woher kenn’ ich diese Töne? Woher kenn’ ich... und wissen Sie, woher ich diese Töne kenne? – Bach, Violinkonzert, A-Moll! Obwohl das 200 Jahre früher war, kommt das da ja auch schon vor! Und wieder A-Moll Paollel-Molltonart [sic!] zu C-Dur.*


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*Harald Schmidt hier als jemand, der die imaginäre Liste der Tristan-Akkorde vor dem Tristan erweitert. Die Frage nach Vorläufern hängt aufs engste damit zusammen, worin die Identität dieses Akkordes gesehen wird. Dabei können die verschiedensten Aspekte betrachtet werden: zum einen kann man sich auf den Akkord allein – gewissermaßen absolut – beschränken, zum anderen ihn in seinem Kontext, in seiner Beziehung zur Tonalität betrachten.


Auch bereits „absolut“ gesehen – linguistisch gesprochen: kontextfrei –, kann gefragt werden, ob seine enharmonische Schreibweise obligatorisches Merkmal sei oder nicht. (Siehe dazu etwa das obige Kurthsche Beispiel aus dem Exkurs, wo Wagner selbst die beiden untersten, ansonsten als übermäßige Quart notierten Töne als verminderte Quint schreibt, sowie die Ausführungen weiter unten.) Ferner, ob die im Hinblick auf die (notierte) Terzschichtung eingenommene Umkehrungsform, aber auch ob die konkrete Oktavlage der Töne über dem


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