- 232 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Die funktionelle Harmonielehre hat bekanntlich nicht die Möglichkeit, in befriedigender Weise den ersten Zusammenklang des Tristan-Vorspiels als selbständigen Akkord zu subsumieren: sogar für den Fall, daß die enharmonische Schreibweise geändert wird – etwa in die bereits genannte und auch bei Schönberg vorkommende Form „f-as-ces-es“ (Schönberg 1911, S. 298 [310], Notenbeispiel 189l; bei Söhner würde diese Septakkordform als „vermindert-klein“ bezeichnet werden) –, tritt dieser auf als die Umkehrungsform eines (As-)-Mollsubdominantklanges mit der Sixte ajoutée f im Baß. Von der „falschen“ tonalen Zuweisung abgesehen, ist in dieser Umkehrungsform der Akkord nicht nur selten, sondern wird eher als Septakkord der II. Stufe aufgefaßt, die – da in Moll der Basisdreiklang, zu dem die Sept hinzugefügt wird, ein verminderter ist – dann keine einfache funktionelle Bezeichnung kennt. Wie bereits schon gesagt: die stufentheoretische Deutung mit dem Terzquartakkord der II. Stufe bei hochalterierter IV. Stufe entspricht genau jener funktionellen Auffassung als einer Doppeldominante mit tiefalterierter Quinte im Baß. Somit wird nun endgültig klar, weshalb Harald Schmidt sofort auf den Terzquartakkord zusteuern wollte!

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[Pause] [HZ lacht]

HS: Warum ist denn eigentlich dieser Akkord historisch... Thomas, warum ist das eigentlich historisch so bedeutend, dieser Akkord?

Thomas [ein Mitglied der Zerlett-Band im Sprechton der Ablesens]: Ja, Harald, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts komponierte man in Europa funktionsharmonisch, ...

HS: Richtig! [Im wohlwollend lobenden Ton eines Lehrers, der seinen Lieblingsschüler präsentiert]

Thomas: ...das heißt... [Publikumsgelächter unterbricht kurzfristig den Satz]

...das Komponieren vollzog sich in Kadenzen...

HS: Ja!

Thomas: ...nach dem Dur-Moll-Prinzip, und so ist es im Grunde dergestalt, daß sich das gesamte musikalische Material, das komponiert wurde, auf ein tonales Zentrum zu beziehen hatte, und von diesem Zentrum leitete sich dann die Hierarchie der Töne ab.

HS: Das, das ist das entscheidende Stichwort, ja! – äh – das, mich – äh – äh – äh – interessiert es immer wieder, wenn ich zum Beispiel die... die... Komponisten höre, die das zitiert haben, morgens beim Rasieren, Schönberg oder so, ja, der das ja in seinem berühmten Werk Verklärte Nacht aufgegriffen hat [Schmidt kehrt beim Reden zu seinem Schreibtisch zurück], oder Alban Berg – äh – in diesem Streichquartett – äh – äh – Lyrische Suite. Und das Interessanteste ist ja bei Debussy, wo es fast ironisch eingesetzt wird in der... im Schlußsatz der Suite Children’s Corner Golliwogg’s Cake-walk.* Hast Du das zufällig drauf Jürgen, diesen Golliwogg’s Cake-walk?



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