- 224 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (223)Nächste Seite (225) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

denn welche der Instrumente überhaupt und in welcher Anzahl vorkommen, wird dort immerhin verraten. Daß der Kolumnist im Text den Tristan-Akkord dabei in den dritten Takt des Vorspiels verlegt, zählt zu den geringsten Schwierigkeiten dieses Rebus.)

-----------------------------------------------


HS: Tristans Akkord... geschrieben von August Everding, und das is... ich hab dann so oft morgens beim Bäcker, wenn ich einkaufen gegangen bin, oder in der Autowaschanlage mit Leuten darüber gesprochen*, die sagen: dieser Akkord ist irgendwie absoluter Wahnsinn. Ich weiß nicht, ob Sie das auch schon so empfunden haben: Man sagt†, in einem Akkord erlebst Du die Welt, in diesem Akkord.


-----------------------------------------------

*Hier entwirft Harald Schmidt die tröstliche Utopie eines Lebens, in dem die Kunst noch jenen Stellenwert im Alltagsleben besitzt, der ihr ihrem eigenen Verständnis nach zukommt. Man fühlt sich an Adornos Vorwort zur Philosophie der neuen Musik erinnert: „Es muß zynisch erscheinen, nach dem, was in Europa geschah und was weiter droht, Zeit und geistige Energie an die Enträtselung esoterischer Fragen der modernen Kompositionstechnik zu verschwenden.“ (Adorno 1949, S. 10 f.) Daß dieser Bezug auf Adorno nicht zu hoch gegriffen ist, mag ein kurzes – hochgradig ironisches – Statement Schmidts zu Adorno belegen: „Wir brauchen ja eigentlich nicht mehr darüber zu reden, daß Schwachsinn [im Fernsehen; H. K.] sehr gefragt ist. [...] Die heutigen Verantwortlichen im Fernsehen sind ja – vor allem im Öffentlich-Rechtlichen – als 68er gestartet. Trotzdem werden die Ihnen sagen: Volksmusik, das hat Adorno gemeint. Teddy würde heute in Reihe eins [Anspielung auf einen Werbeslogan der ARD; H. K.] im Stadl [verkürzt zitierter Titel einer Volksmusiksendung der ARD; H. K.] sitzen.“ (Dietl/Schmidt 1999, S. 43d.) Aber auch der Spiegel rückt den Entertainer in gefährliche Nähe zu Adorno, wenn er ihn als „ungekrönten Meister der Aufklärung nach der Aufklärung“ bezeichnet und ausführt, daß „ähnlich wie er [Harald Schmidt; H. K.] viele praktizierende Dialektiker der Aufklärung, meist ganz ohne Adornos Hilfe, längst begriffen [haben], daß der bizarre, tragikomische Abgrund zwischen Wissen und Macht, Informationsmasse und Handlungskompetenz nicht mehr mit Betroffenheit und guten Worten zu überbrücken ist.“ (Mohr 1998, S. 50c.)


†Im Prinzip richtig: aber nicht man, sondern – so Everding am angegebenen Ort – Flamand in Strauss’ Capriccio. Und dieser sagt es nicht, sondern singt es – allerdings, fügt Everding hinzu, auch er selbst habe es so erlebt, als er „ihn zum ersten Mal hörte, und immer wieder, wenn [er] dieses Stück inszeniere“.

-----------------------------------------------



Erste Seite (1) Vorherige Seite (223)Nächste Seite (225) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 224 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik