- 221 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (220)Nächste Seite (222) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Auch findet sich in einer der ersten musiktheoretischen Online-Zeitschriften schon früh ein speziell dem fraglichen Akkord gewidmeter Beitrag (Rothgeb 1995), gefolgt von einer Online-Diskussion ebenda (Zusammenfassung: Schuijer 1996, vgl. ferner Rothstein 1995).

Erwähnenswert – wenn auch einem gänzlich anderen Genre zugehörig – der Roman Hans-Ulrich Treichels, der den Akkord sogar im Titel führt (Treichel 2000) und der von der Kritik sogleich als Schlüsselroman auf einen in Osnabrück ehrenpromovierten Komponisten gelesen wurde (dessen Librettist er war). Treichel – höchst sachkundig – bezieht sich sogar auf Rothgebs Schrift sowie Rothsteins Erwiderung, wenn er deren Aufsätze einem fiktiven John Stewart bzw. William Stern unterschiebt. (Treichel 2000, S. 80; man beachte, daß der Gleichlaut der Namensanfänge der realen Autoren für die fiktiven beibehalten wurde.) Selbst die bei Rothgeb (1955, Absatz [8], Anm. 4, bzw. 1996, S. 52, Fußnote 5) – auf deutsch – zitierte Formulierung Vogels (1962, S. 12) von der „Lagerung“ des Akkordes wird dem Treichelschen Romanhelden Georg Anlaß zu einem beziehungsreichen Ausflug ins Weinkundliche: „Anscheinend mußte man sich den Tristanakkord wie einen kostbaren Rotwein vorstellen, der in Eichenfässern gelagert wird.“ (Treichel 2000, S. 82.) Eine weitere Spitze Treichels richtet sich gegen die Wissenschaftsmanie der Abkürzungen – Rothgeb 1955, Absatz [1], bzw. 1996, S. 51: „Tristan Chord (TC hereafter)“ –, wenn er besagten Romanhelden, der mit einer mehrfach fallengelassenen Bemerkung „Tristan­akkord“ als Boudoir-Strategie bei einer Studentin kläglich gescheitert war (a. a. O., S. 79 f.), reflektieren läßt: „Stewart und Stern sagten immer nur »TC«, was die Abkürzung von Tristan Chord ist. Georg fragte sich, wie jene Germanistikstudentin wohl reagiert hätte, wenn er statt »Der Tristanakkord!« jedesmal »TC!« ausgerufen hätte.“ (A. a. O., S. 82.)

Auch der Musikwissenschaftsspezialist des bedeutenden Hamburger Nachrichtenmagazins verweist aus Anlaß der Rezension dieses Buches auf die Virulenz der Tristan-Akkordproblematik: „Ein Mirakel muss er sein, ein Mysterium, eine Offenbarung. Es heißt, dieser Laut sei klingende Lust und sein Zauber reiche bis in die Lenden.“ In gewohnt nüchterner Sachlichkeit aber wird hier aufgeklärt: „Dabei sind es nur vier Töne im zweiten Takt des ersten Aufzugs [...]. F - h - dis' - gis': Das ist er, der rätselhafte ‚Tristanakkord‘, der nun schon seit 135 Jahren die Wagnerianer um den Verstand und die Harmonielehrer um den Schlaf bringt.“ (Umbach 2000, S. [210].)


Die mittlerweile kaum mehr übersehbare Literatur zum Tristan-Akkord läßt sich nach mindestens vier Gesichtspunkten einteilen:


Erstens danach, ob nur der Akkord selbst behandelt wird – diese Art von Abhandlung ist vornehmlich in musiktheoretischen Büchern, vulgo: Harmonielehren anzutreffen – oder ob seine Einbettung in die Gesamtharmonik des Musikdramas, sein ästhetischer Stellenwert und seine Bedeutung zur Sprache kommen. Für ersteres bedarf es wohl keines Einzelnachweises, für letzteres ist als


Erste Seite (1) Vorherige Seite (220)Nächste Seite (222) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 221 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik