- 209 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Orientierung am Werk selbst und am Gespräch als wortgebundener Vermittlungsform. Im Zusammenhang mit der Diskussion um eine verstärkte Schüler- und Handlungsorientierung des Musikunterrichts erweiterte Richter seine Theorie um den Begriff der „Verkörperung“6
6 Christoph Richter, Überlegungen zum anthropologischen Begriff der Verkörperung. Eine notwendige Ergän­zung der didaktischen Interpretation von Musik, in: Reinhard Schneider (Hg.), Anthropologie der Musik und der Musikerziehung, Regensburg 1987 (= Musik im Diskurs; Bd. 4), S. 73 ff., bes. S. 111 ff.

, um deutlich zu machen, daß Verstehen sich nicht allein kognitiv vollzieht, sondern ganzheitlich:


Verkörperung meint den notwendigen Vollzug menschlicher Existenz. Der Begriff bezeichnet die Gleichzeitigkeit von ‚Verkörperung von etwas‘ und ‚Verkörperung des Menschen selbst‘. ... Das Prinzip, die Vorstellung und der Vollzug von Verkörperung können ... als ein Treffpunkt für den Erfahrungsweg des Menschen mit Musik gelten ...: im Begriff der Verkörperung werden die Erfahrungen, die man mit Musik machen kann, zur Erfahrung mit sich selbst.7

7 Richter, a. a. O., S. 111 f.


Über den in der Theorie so konsequenten, in der Unterrichtspraxis so schwierigen „didaktische Brückenschlag“ zwischen dem Horizont des Werkes und den Erfahrungshorizonten der Schüler hat auch Ehrenforth weiter nachgedacht und die miteinander verbundenen Begriffe „Lebenswelt“ und „Toposdidaktik“ in die Diskussion eingebracht.8

8 Karl Heinrich Ehrenforth, Musik als Leben. Zu einer lebensweltlich orientierten ästhetischen Hermeneutik, in: Musik und Bildung, 25. (84.) Jg. (1993), H. 6 (Nov./Dez.), S. 14–19.

Mit dem Begriff „Lebenswelt“ ist nicht die soziale Welt mit ihren kaum überschaubaren Ausprägungen gemeint. Es geht


... um das Bedenken eines grundsätzlichen Gemeinsamen von (Lebens)Erfahrungen, das uns über individuelle und sogar kulturelle Grenzen hinaus miteinander verbindet. Ein solches Verständnis von Lebenswelt ist anthropologisch, nicht sozialwissenschaftlich bestimmt.9

9 Ehrenforth, a. a. O., S. 18.


Mit dem Begriff „Toposdidaktik“ verbindet Ehrenforth die Vorstellung, eben „das Gemeinsame“ aus der Lebenswelt zum Thema des Musikunterrichts zu machen – wie zum Beispiel das Fest, den Abschied, die Trauer, die Freude, die Liebe. Es sind Erfahrungen, die wir alle machen und die in Musikwerken Ausdruck und Darstellung gefunden haben.



Prozeß eines Hochschulseminars


Überlegungen wie die eben vorgestellten haben auch die Thematik eines Seminars beeinflußt, daß der Verfasser zusammen mit Christoph Hempel durchführte.10

10 Das Seminar wurde als Kooperationsprojekt von Prof. Christoph Hempel (Musiktheorie) und mir (Musikdidaktik) mit Studierenden des Teilstudiengangs „Musik im Lehramt an Gymnasien“ an der Hochschule für Musik und Theater Hannover im Wintersemester 1991/92 durchgeführt. Die Idee, Schuberts Winterreise als Hörspiel zu gestalten, kam von Christoph Hempel. Die Produktionspartitur wurde im Seminar gemeinsam entwickelt. Die technische Realisation wurde von mir unter der Assistenz von Bernd Brüning betreut.

Aus dem Unbehagen heraus, daß gymnasialer Musikunterricht und

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