- 207 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Konzertöffentlichkeit, die er erst in den 1820er Jahren erreicht habe. Alle zuvor entstandenen Werke seien somit als Entwicklungsschritte im Handwerklichen zu sehen, die sich möglicherweise auch den wechselnden und zuweilen wohl unvollständigen Besetzungsrealitäten anpassen mußten,59
59 Hinrichsen, a. a. O. (s. Anm. 56), S. 515.

und durchaus auf seinem eigenen Erfahrungshintergrund als Spieler in „Liebhaberorchestern“ basierten. Trotz „wechselnder Lebensumstände“ wird mittlerweile eine Konsequenz der künstlerischen Entwicklung Schuberts, auch im sinfonischen Bereich, gesehen.60
60 Gülke, Franz Schubert ..., a. a. O. (s. Anm. 4), S. 63.


Die fachwissenschaftliche Kritik wendet sich ferner gegen populärwissenschaftliches und feuilletonistisches Verhalten: So spricht Nagler unverblümt von einem „Ramschsortiment“, das sich auf dem Büchermarkt für den Musikinteressierten über Schubert anbiete. „Mit Hilfe sinnentleerter Ketten von Sprachhülsen, Wortblasen, Tautologien und Klischeebildungen“ halte man eine „gefühlstrunkene Präsentation“, ungeachtet vieler neuer Erkenntnisse über die Psychologie und das soziale Umfeld Schuberts, für konsumträchtig.61

61 Norbert Nagler, Reflexionen zum Klischeedenken in der gegenwärtigen Schubert-Literatur, in: Metzger/ Riehn (Hg.), a. a. O. (s. Anm. 34), S. 227–249, dort S. 230.

Der mittlerweile erreichte Stand der internationalen Schubert-Forschung wird dabei ignoriert. Nagler sieht diese Entwicklung besonders im Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr 1978, es gilt ebenfalls für 1996. Viele Musikinteressierte lassen sich immer wieder berühren von der Aura des Tragischen um Krankheit, Armut, Liebesleid und den frühen Tod des Menschen Schubert einerseits sowie von dem Geheimnisvollen um seine Liebesbeziehungen, seine Sehnsüchte und – die „unvollendete“ Sinfonie andererseits.

Auch aus diesen Gründen ist die 7., und nicht die 5. Sinfonie das Repertoirestück unter den Orchesterwerken Schuberts, und dies keineswegs nur für Laienorchester! Schubert-Sinfonien werden gerne gespielt und gehört, aber wohl gerade nicht, weil sie als einfach und leicht verständlich gelten, sondern weil sie dem hörenden Publikum als beliebt dargeboten, und in den ausführenden Laienorchestern als durchaus anspruchsvoll vermittelt und erarbeitet werden können.

Übrigens – für Freunde der Statistik –: Die von Laienorchester am häufigsten gespielte Sinfonie ist Beethovens Sinfonie Nr. 1!

Und noch ein Tip für alle Musikliebhaber: Sie sollten den alten Reclam-Konzertführer wenigstens durch die Neuausgabe von 1998 ersetzen. ...


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