- 202 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (201)Nächste Seite (203) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Die prozentuale Verteilung der Schubert-Sinfonien untereinander ergibt eine klare Spitzenreiterposition der 7. Sinfonie h-Moll (Unvollendete) mit 29% vor der 5. Sinfonie mit 25%. Es folgen die 3. und 6. Sinfonie mit 16% bzw. 11%, danach die 4. mit 8% und die 8. mit 6%, während die 1. (4%) und 2. Sinfonie (1%) Randerscheinungen auf den Konzertprogrammen sind (Abbildung 4).

Beim Vergleich der Besetzungen fällt auf, daß die 5. Sinfonie mit nur einer Flöte, ohne Klarinetten, Trompeten und Pauke das kleinste Bläserkontingent benötigt, ein Faktum, das für Streich- oder Kammerorchester mit einigen Bläsern durchaus ein Eignungskriterium darstellt. Die fehlenden Bläser müssen dann für das jeweilige Projekt „dazugekauft“ werden. Seit den 1960er Jahren haben sich aber immer mehr Laienorchester mit einer ständigen Bläserbesetzung von 2.2.2.2.-2.2.0.0.-Pk-Str etabliert, oft auch mit stets denselben Posaunen-Aushilfen, so daß das Besetzungsproblem im Grunde nicht mehr existiert. Die Akzeptanz eines Arbeitsprogramms, bei dem Bläser unbeschäftigt sind, ist heute eher geringer als für ein Werk, für das z. B. 2 Hörner oder 3 Posaunen als Aushilfen hinzuzuholen sind, wie es für die 4. bzw. 7. und 8. Sinfonie nötig wäre.

Die Aufführungsdauer von knapp über 20 Minuten, die überschaubare Zweisätzigkeit, die nicht allzu schnellen Tempi34

34 Vgl. René Leibowitz, Tempo und Charakter in Schuberts Sinfonien, in: Musik-Konzepte. Sonderband Franz Schubert, hg. von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, München 1979, S. 167–186, dort S. 173.

, der Bekanntheitsgrad der Themen, die attraktive Bläserbesetzung und nicht zuletzt die musikgeschichtliche Aura der Unvollendeten haben offensichtlich doch stärker das Interesse der Laienorchester hervorgerufen als die kompositorisch angeblich so geeignete 5. Sinfonie. Die Praxisanalyse zeigt somit eindeutig, daß das wiederholt formulierte Bestreben (es folgt ein exemplarisches Zitat), Orchesterliteratur in „geeignete“ Werke für Profis und Laienorchester einzuteilen, folgenlos geblieben ist:


Es muß gesagt werden, daß die hervorragende Wiedergabe von berufener Seite bei der Siebenten und Achten zu gefährlichen Vergleichen herausfordern kann. So verständlich es ist, wenn ein gutes Liebhaberorchester sich auch in dieser Wunderwelt ausleben möchte, erscheint Vorsicht am Platze, und der Dirigent sollte seinen Ehrgeiz zügeln. Die Fünfte dagegen, mit ihrer kleinen Besetzung (...) und direkt für einen Dilettantenkreis im Hause des Vaters komponiert, ist die geborene Meistersinfonie für Liebhaber. Sie taucht denn auch erfreulich oft in den Programmen auf.35

35 Zimmerreimer, a. a. O. (s. Anm. 27), S. 5.


Nicht die Gefahr des Vergleichs, sondern das Interesse am eigenen Musizieren z. B. der 7. und 8. Sinfonie hat Laienorchester dennoch zu diesen Werken greifen lassen.

Die sinfonischen Fragmente bzw. diverse (Re-)Konstruktionsversuche, vor allem des 3. Satzes der Unvollendeten, liegen nach wie vor völlig außerhalb des Blickwinkels der Laienorchester (vgl. Abschnitt 4).


Erste Seite (1) Vorherige Seite (201)Nächste Seite (203) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 202 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik