Die in eckige Klammern gesetzte Passage, in der
Wagner Gedanken über die Entstehung von Musik und Sprache
äußert, läßt sich aus Zeitgründen evtl.
aussparen. Sie ist aber zum tieferen Verständnis der Problematik
hilfreich und im übrigen hochinteressant.
Frage:
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Herr
Wagner, man hörte, Sie hätten kürzlich ein
gesprochenes Schauspiel über Friedrich Barbarossa entworfen,
diesen Plan aber wieder fallen gelassen. Ihre bisherigen Ideen
haben Sie als Oper realisiert, also mit Musik. Warum genügt
es Ihnen nicht, ein Schauspiel zu schreiben? Welche Rolle spielt
die Musik in Ihrem Werk?
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[Wagner:
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Unser
Drama ist ein Appell an den Verstand, nicht an das Gefühl.
Der moderne Dichter kann sein ganzes Vorhaben nur durch das
Mitteilungsorgan des kombinierenden Verstandes, durch die
ungefühlvolle moderne Sprache erreichen.
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Frage:
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Sie
sagen „moderne Sprache“. Demnach gab es einmal eine
Sprache, die gefühlvoll war?
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Wagner:
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Das ursprüngliche
Äußerungsorgan des inneren Menschen ist die Tonsprache,
als unwillkürlicher Ausdruck des inneren Gefühls. Eine
ähnliche Ausdrucksweise, wie die, welche noch heute einzig
den Tieren zu eigen ist, war jedenfalls auch die erste
menschliche; und diese können wir uns jeden Augenblick ihrem
Wesen nach vergegenwärtigen, sobald wir aus unserer
Wortsprache die stummen Mitlaute ausscheiden und nur noch die
tönenden Laute übrig lassen. In diesen Vokalen, wenn wir
sie uns von den Konsonanten entkleidet denken, und in ihnen allein
den mannigfaltigen und gesteigerten Wechsel innerer Gefühle
nach ihrem verschiedenartigen, schmerzlichen oder freudvollen
Inhalte, kundgegeben vorstellen, erhalten wir ein Bild von der
ersten Empfindungssprache der Menschen, in der sich das erregte
und gesteigerte Gefühl gewiß nur in einer Fügung
tönender Ausdruckslaute mitteilen konnte, die ganz von selbst
als Melodie sich darstellen mußte.
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Frage:
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Wenn
ich mir vorstelle, die Menschen könnten sich nur wie ein Hund
oder ein Vogel verständigen, wäre ich nicht zufrieden.
Es gäbe dann gar keine Kultur und Zivilisation, keinen
geistigen Austausch. Aus welchem Grund ist unsere moderne Sprache
entstanden?
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Wagner:
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Um
die äußeren Gegenstände nach ihrer Unterscheidung
zu bezeichnen und sich über sie mitzuteilen, mußte das
Gefühl den tönenden Laut auf eine dem Gegenstand
entsprechende Weise in ein unterscheidendes Gewand kleiden. Dieses
Gewand wob die Tonsprache aus stummen Mitlauten; die so
bekleideten Vokale bilden die Sprachwurzeln, aus deren
Zusammenstellung das ganze Gebäude unserer unendlich
verzweigten Wortsprache errichtet ist. Je verwickelter und
vermittelnder aber endlich die Wortsprache verfahren mußte,
um Gegenstände und Beziehungen zu bezeichnen, je mehr sie
hierzu die ursprüngliche Bedeutung nur noch zu denkender,
nicht mehr zu fühlender Bedeutung hinaufschrauben mußte,
desto widerspenstiger und fremder wurde sie gegen jene Urmelodie,
an die sie endlich selbst die entfernteste Erinnerung verlor, als
sie sich atem- und tonlos in das graue Gewühl der Prosa
stürzen mußte.
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Frage:
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Sie
behaupten also, wir könnten in unserer Sprache keine Gefühle
ausdrücken.]
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Wagner:
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Unser
Gefühl, das sich in der ursprünglichen Sprache unbewußt
ganz von selbst ausdrückte, können wir in der
prosaischen Wortsprache nur beschreiben, und zwar auf noch bei
weitem umständlichere Weise, als einen Gegenstand des
Verstandes. Wir können unsere Empfindungen in ihr nur dem
Verstand, nicht aber dem zuversichtlich verstehenden Gefühl
mitteilen; und ganz folgerichtig sucht sich daher in unserer
modernen Entwicklung das Gefühl aus der absoluten
Verstandessprache in die absolute Tonsprache, unsere heutige
Musik, zu flüchten.
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Frage:
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Sie
sagen: „heutige Musik“. Was meinen sie damit?
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Wagner:
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In
ihrer Einsamkeit hat die von der Dichtkunst gänzlich
abgesonderte Musik sich ein Organ gebildet, welches des
unermeßlichsten Ausdrucks fähig ist, und dies ist das
Orchester. Die Tonsprache Beethovens ist ein ganz neues Moment für
das dramatische Kunstwerk. Das Orchester ist sozusagen der Boden
unendlichen, allgemeinsamen Gefühls, aus dem das
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