- 122 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (121)Nächste Seite (123) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Wonne, als in immer traulicherer Nähe die göttliche Erscheinung vor den verklärten Sinnen sich ausbreitet; und als endlich das heilige Gefäß selbst in wundernackter Wirklichkeit entblößt und deutlich dem Blicke des Gewürdigten hingereicht wird; als der »Gral« aus seinem göttlichen Inhalte weithin die Sonnenstrahlen erhabenster Liebe, gleich dem Leuchten eines himmlischen Feuers, aussendet, so daß alle Herzen rings im Flammenglanze der ewigen Glut erbeben: da schwinden dem Schauenden die Sinne; er sinkt nieder in anbetender Vernichtung. Doch über den in Liebeswonne Verlorenen gießt der Gral nun seinen Segen aus, mit dem er ihn zu seinem Ritter weiht: die leuchtenden Flammen dämpfen sich zu immer milderem Glanze ab, der jetzt wie ein Atemhauch unsäglichster Wonne und Rührung sich über das Erdental verbreitet, und des Anbetenden Brust mit nie geahnter Beseligung erfüllt. In keuscher Freude schwebt nun, lächelnd herabblickend die Engelschar wieder zur Höhe: den Quell der Liebe, der auf Erden versiegt, führte sie von neuem der Welt zu, den »Gral« ließ sie zurück in der Hut reiner Menschen, in deren Herzen sein Inhalt selbst segnend sich ergossen: und im hellsten Lichte des blauen Himmelsäthers verschwindet die hehre Schar, wie aus ihm sie zuvor sich genaht.5
5 Richard Wagners gesammelte Schriften und Dichtungen, Bd. 5, Leipzig 1888, S. 179–181, in der Rechtschreibung modernisiert.


  1. Geben Sie vorerst kurz den Grundgedanken des Textes wieder.


Der Text erscheint zunächst verwirrend: Zum einen muß man sich in Wagners gewundene Ausdrucksweise erst langsam einfinden, zum anderen ist von der Kunst überhaupt nicht die Rede. Statt dessen spricht Wagner unaufhörlich von religiösen Dingen. Um diesen Text dennoch im Hinblick auf unsere Fragestellung zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß im 19. Jahrhundert die Kunst vielfach als eine Art Religion verstanden wurde. Setzen Sie deshalb einfach an Stelle religiöser Begriffe Wörter aus dem Bereich der Kunst, also anstelle von „der Gral“ und „das heilige Gefäß“ einfach „die Kunst“. Sie können evtl. Tipp-Ex (Korrekturflüssigkeit) verwenden, um die religiösen Begriffe auszulöschen.

Erst jetzt kommen wir einer Antwort auf unsere Frage nach Wagners Verständnis von Kunst und Künstler näher. Jedoch bedarf der Text auch jetzt noch einer genaueren Betrachtung.


  1. Geben Sie zunächst Wagners Beschreibung von der Welt wieder.

  2. Beschreiben Sie dann, welche Rolle darin die Kunst übernehmen soll.

  3. Charakterisieren Sie daraufhin die Kunst in der Sichtweise Wagners.

  4. Benennen Sie schließlich, welche Aufgabe dem Künstler zufällt.


Wir werden später zu der einzigartigen Komposition dieses Vorspiels zurückkommen und uns intensiver damit beschäftigen.



2.2 Die Handlung


Wagner, der als einer der wenigen Opernkomponisten alle seine Texte selbst schrieb, benutzte für seinen Lohengrin Elemente aus mittelalterlichen Sagen


Erste Seite (1) Vorherige Seite (121)Nächste Seite (123) Letzte Seite (456)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 122 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik