- 105 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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musikalischen Lernforschung und die Vorschläge zur praktischen Arbeit mit Kindern von Edwin E. Gordon (1990).3
3 Zur Darstellung der Materialien und Inhalte sowie zur Einführung in die Methodik siehe Valerio/Reynolds u. a. 1998 und W. Gruhn 2000b (i. Dr.).


Als Arbeitsmaterial verwenden wir Kinderlieder, textlose Melodien, rhythmische chants (d. h. auf neutrale Silben deklamierte Rhythmen), kurze rhythmische und melodische Übungen (patterns) und Sprechverse (Kinderreime und Abzählverse mit z. T. asemantischen Texten). Dabei werden in Anlehnung an Gordon melodische und rhythmische Übungen zunächst getrennt voneinander eingeführt und Melodien häufig ohne Text gesungen, um die Aufmerksamkeit auf Tonhöhe bzw. Rhythmus zu lenken und nicht davon durch die Geschichte des Textes abzulenken. Alle musikalischen Äußerungen, d. h. die melodischen und rhythmischen Übungen, die Melodien und chants wie die rhythmisierten Kinderreime werden immer von körperlichen Bewegungen begleitet, die eine fließende Bewegung ausbilden helfen und die Fein- wie Grobmotorik anregen. Denn wir wissen aus der Entwicklungspsychologie wie der Lernforschung, nicht zuletzt unterstützt durch Erfahrungen von Musik- und Tanzpädagogen wie Émile Jaques-Dalcroze und Rudolf von Laban, daß Kinder Raum und Zeit zunächst durch Bewegung, insbesondere durch den kontinuierlichen Bewegungsfluß und Gewicht erfahren. Daher bevorzugen wir Materialien, die die Erfahrung fließender Bewegung und die Empfindung von Gewicht (Schwere) begünstigen, also Bälle verschiedener Größe, Reifen, Seile, Tücher, Trampolin etc. Traditionelle Instrumente (z. B. Orff-Instrumente) werden zunächst nicht eingesetzt, weil es primär um die Ausbildung einer inneren Vorstellung, des „inneren Instruments“ geht.


Dazu ist die Verstärkung der phonologischen Schleife (phonological loop) zwischen stimmlicher Produktion (oral) und Hörkontrolle (aural) unerläßlich. Allein das Ohr kann die Lautproduktion kontrollieren, wie umgekehrt die Lautproduktion wiederum das Ohr informiert. Das Kind singt einen Ton oder eine Tonfolge; das Ohr sagt ihm dann (wenn es bereits feine Unterschiede unterscheiden kann), ob die gehörte und vorgestellte Tonfolge gleich oder verschieden ist, damit der Stimmapparat ggf. so lange korrigieren kann, bis der reale mit dem intentionalen Klang übereinstimmt. Nur mit Hilfe dieser Rückkopplungsschleife kann es dann zu einer stabilen Verbindung klanglicher Vorstellungen mit musikalischen Äußerungen kommen. Die Eltern erhalten als begleitendes Material die verwendeten Lieder, Melodien und Rhythmen auf Audio-Cassetten, um selber mit ihnen vertraut zu werden und sie während der Woche den Kindern immer wieder anzubieten oder selber praktisch anzuwenden.


Entscheidend für eine adäquate Lernumgebung ist es, den Kindern möglichst viel Spielraum für körperliche Bewegungen einzuräumen. Ihr Erfahrungsraum ist ja zunächst darauf beschränkt, was sie mit ihren Sinnen wahrnehmen können.


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