aus paradoxerweise die Geisteswissenschaften, indem er das gegebene
Erlebnis als die menschliche, geistige Welt vom Erlebnisgegenstand als der physischen
Welt unterscheidet. Der Erlebnisinhalt, d. h. das im Erlebnis Gegebene ist Dilthey
zufolge nur die menschliche, geistige Welt, die man im Gegensatz zu der Wahrnehmung
der physischen Welt in Form des Verstehens erkennt. Sein Begriff des Erlebnisses
dient somit wiederum der Verfestigung des Dualismus von Subjektivität und
Objektivität.
Wenn verschiedene Akte wie etwa der des Wahrnehmens oder des Verstehens im
Erlebnis stattfinden, wird der dabei herangezogene Erlebnisgegenstand auch
wahrgenommen oder verstanden. Auf den gleichen physischen Gegenstand wird somit in
unterschiedlichen Akten mit unterschiedlichen Erlebnisinhalten Bezug genommen. Dabei
steht der objektive Erlebnisgegenstand in enger Beziehung zum subjektiven psychischen
Erlebnisinhalt. Die menschliche Erkenntnis, die vom Erlebnis ausgeht, kann demnach
weder allein subjektiv noch vom Bewusstsein unabhängig objektiv begründet werden.
Der Erlebnisgegenstand kann sowohl in der Form des Verstehens als auch der
Wahrnehmung etc. aufgefasst werden.
Die Musikphänomene, die als Forschungsgegenstände der Musikwissenschaft
durch unterschiedliche Akte in Betracht gezogen werden, lassen sich durch die
verschiedenen empirischen Forschungsmethoden klären. Dies ist insbesondere bei
der Erforschung der Musikwahrnehmung festzustellen: Beispielsweise ergibt
sich für die Erforschung der musikalischen Zeit-Struktur keine allgemein
akzeptable Theorie aus dem Ergebnis der jeweiligen Forschungsbereiche wie
Experimentelle Psychologie, Musikethnologie, Musiktheorie und computergestützte
Modellierung.6
Vgl. Seifert, U. / Olk, F. / Schneider, A., On Rhythm Perception: Theoretical Issues,
Empirical Findings, in: Leman, M. / Berg, P. (Hrsg.), Journal of New Music Research,
Vol. 24, Nr. 2, Swets & Zeitlinger, 1995, S. 164–193, hier: S. 165.
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Der neurobiologische Aspekt, etwa das Konzept des Bereichs der Präsenzzeit (etwa drei
Sekunden Dauer), kann für die Musikwahrnehmung nicht vollständig übernommen werden,
da inhaltliche Kriterien (z. B. tonale Verläufe) zur Bildung von Wahrnehmungseinheiten
herangezogen werden, die zeitliche Wahrnehmungsgrenzen in den Hintergrund
drängen.7
Beck, K., Rhythmus und Timing, in: Bruhn, H. / Oerter, R. / Rösing, H., Musikpsychologie.
Ein Handbuch, Reinbek: Rowohlt, 1994, S. 464.
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Das Feld
der Gegenwart bei der Wahrnehmung der europäischen tonalen Musik besteht nicht nur aus Retention und
Protention,8
Retention und Protention sind Edmund Husserls Termini. In seiner
Schrift »Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins« (1966) analysiert Husserl die
phänomenologische Zeitstruktur am Beispiel der Melodiewahrnehmung. Die Wahrnehmung
der Tonfolge setzt nach Husserl die phänomenologische Zeit voraus, die durch das innere
Zeitbewusstsein als eine Struktur Jetzt-Vorher-Nachher aufgefasst wird. Die konstitutiven
Strukturelemente des inneren Zeitbewußtseins sind die Bedingungen der Möglichkeit, zeitliche
Prozesse aufzufassen, das Festhalten des Vergangenen – Retention – und die Erwartung des
Zukünftigen – Protention. Anhand der beiden Elemente ist die Gegenwart in Richtung auf
ein Vergangenes oder Künftiges zu transzendieren. Bei der Melodiewahrnehmung werden die
Jetztpunkte mit fortschreitender Zeit mit der Identifikation des Neuen und der Rückschau mit
der Identifikation des zeitlich Zurückliegenden erlebt (siehe das Husserlsche Zeitdiagramm,
in: Husserl, E., Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins, 1966, S. 28). Das jeweilige
Jetzt der Melodie, das eine kontinuierliche Kette von Retentionen und Protentionen hat,
kann sich auf das Konzept des Bereichs der Präsenzzeit beziehen.
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sondern auch aus
Reproduktion und Antizipation,9
Reproduktion und Antizipation sind Alfred Schütz’ Termini. Die Begriffe der Reproduktion
und Antizipation sind bei Schütz die erweiterten Begriffe der Retention und Protention:
Die Erinnerung des mit dem gegenwärtigen Erlebnis nicht direkt zusammenhängenden
Vergangenen wird als die Reproduktion bezeichnet; die Erwartung des mit dem gegenwärtigen
Erlebnis nicht direkt zusammenhängenden Zukünftigen nennt Schütz die Antizipation (Vgl.
Schütz, A., Fragments on the phenomenology of music, in: Music & Man, Vol. 2, Nr. 1/2,
Gordon and Breach Science, 1976, S. 5–71, hier: S. 41).
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da sich die Einheit der tonalen Musik aus der logischen Struktur ergibt: z. B. für die
Wahrnehmungseinheit der Musik
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