- 79 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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vertretenden »Gesellschaft für Musikforschung« belegt die Rolle der Musikwissenschaft als geistes- bzw. kulturwissenschaftliche Disziplin der Moderne.

Um die Rolle der Musikwissenschaft als postmoderne Wissenschaft darzulegen, wird daher der Zerfall der Hegemonie Historischer Musikwissenschaft zu diskutieren sein. Im Niedergang der Idee der Geschichtlichkeit wird die historische Musikforschung von ihrer mit den bildungsbürgerlichen Geisteswissenschaften zusammenhängenden Legitimationsfunktion befreit. Sie bildet aufgrund der postmodernen Pluralität nur noch einen Zweig der Musikforschung, in dem alle möglichen Musikphänomene historisch erforscht werden. Dabei kann die Erforschung der Musikgeschichte keinen anti-naturalistischen, programmatischen Charakter haben, sondern bloß – um mit Schneider zu sprechen – eine angemessene Beachtung geschichtlicher Tatsachen – die Quellenforschungen, Editionsprojekte und die Vielzahl musikhistorischer Detailuntersuchungen – bezwecken.3

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Schneider, A., Analogie und Rekonstruktion, Bonn: Verlag für systematische Musikwissenschaft, 1984, S. 7.
In dieser Hinsicht ist die historische Musikforschung in Verbindung mit der Anthropologie zu betreiben.4
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Vgl. Schneider, A., a. a. O.; Schneider, A., Musikwissenschaft und Kulturkreislehre, Bonn: Verlag für systematische Musikwissenschaft, 1976.
Überdies ist selbst die traditionelle, geschichtswissenschaftliche Erforschung der Musikgeschichte, die ausschließlich die europäische Kunstmusik in der abendländischen Geschichte behandelt, unter der Voraussetzung des postmodernen Methodenpluralismus dem historischen Zweig der Musikforschung unterzuordnen. Infolgedessen sollte es in der Diskussion über die Musikwissenschaft in der Postmoderne hauptsächlich um die Delegitimierung der Prävalenz der Historischen Musikwissenschaft, der abendländischen Musikgeschichte, und um die Gleichberechtigung aller Zweige der Musikforschung gehen. Die Musikwissenschaft in der Postmoderne ist, über die historische Forschung hinausgehend, nach unterschiedlichen Auffassungen des Musikbegriffs jeweils mit heterogenen, sogar widerstreitenden Herangehensweisen zu betreiben.

Der Forschungsbereich der Musikwahrnehmung, der in der Gegenwart zunehmend an Bedeutung gewinnt,5

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Vgl. De la Motte-Haber, H., Handbuch der Musikpsychologie, Laaber: Laaber, 2002, S. 455–457.
ist ein Beispielfeld, das bezüglich der Infragestellung der modernen Wissenschaftskonzeption thematisiert werden kann. Wenn man die Musikwissenschaft ausschließlich als Kulturwissenschaft im historisch-hermeneutischen Sinne erfasst, kommt der Wahrnehmungsforschung im Gegenstandsbereich der Musik kein Platz zu, da die Kulturwissenschaften bei den Neukantianern auf der Basis einer reduktionistischen Auffassung des Begriffs der Kultur begründet worden sind: Die Kultur bildet Rickert zufolge nicht den Gegenstand der Wahrnehmung, sondern den des Verstehens. Er begreift den Gegenstand der Wahrnehmung als das bedeutungsfreie, unverständliche Sein und Kultur im Gegensatz dazu als das bedeutungsvolle, verstehbare Sein. Demnach schließt Rickert Psychologie von den Kulturwissenschaften aus. Bedenkt man jedoch den Erkenntnisprozess der Musik, bildet die Erforschung der Musikwahrnehmung einen wichtigen Zweig der Musikwissenschaft, da das Musikhören primär nichts anderes als das Hörerlebnis bedeutet. Dilthey sah mit Recht den Ausgangspunkt für die menschliche Erkenntnis im die Einheit von Innenwelt und Außenwelt, von Subjektivität und Objektivität aufrechterhaltenden Erlebnis. Er begründet jedoch von diesem Ausgangspunkt

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