vertretenden »Gesellschaft für Musikforschung« belegt die Rolle
der Musikwissenschaft als geistes- bzw. kulturwissenschaftliche Disziplin der
Moderne.
Um die Rolle der Musikwissenschaft als postmoderne Wissenschaft darzulegen, wird
daher der Zerfall der Hegemonie Historischer Musikwissenschaft zu diskutieren sein. Im
Niedergang der Idee der Geschichtlichkeit wird die historische Musikforschung von ihrer mit
den bildungsbürgerlichen Geisteswissenschaften zusammenhängenden Legitimationsfunktion
befreit. Sie bildet aufgrund der postmodernen Pluralität nur noch einen Zweig der
Musikforschung, in dem alle möglichen Musikphänomene historisch erforscht werden.
Dabei kann die Erforschung der Musikgeschichte keinen anti-naturalistischen,
programmatischen Charakter haben, sondern bloß – um mit Schneider zu sprechen –
eine angemessene Beachtung geschichtlicher Tatsachen – die Quellenforschungen,
Editionsprojekte und die Vielzahl musikhistorischer Detailuntersuchungen –
bezwecken.3
Schneider,
A., Analogie und Rekonstruktion, Bonn: Verlag für systematische Musikwissenschaft, 1984,
S. 7.
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In dieser Hinsicht ist die historische Musikforschung in Verbindung mit der Anthropologie zu
betreiben.4
Vgl. Schneider, A., a. a. O.; Schneider, A., Musikwissenschaft und Kulturkreislehre, Bonn:
Verlag für systematische Musikwissenschaft, 1976.
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Überdies ist selbst die traditionelle, geschichtswissenschaftliche Erforschung der
Musikgeschichte, die ausschließlich die europäische Kunstmusik in der abendländischen
Geschichte behandelt, unter der Voraussetzung des postmodernen Methodenpluralismus
dem historischen Zweig der Musikforschung unterzuordnen. Infolgedessen sollte es in der
Diskussion über die Musikwissenschaft in der Postmoderne hauptsächlich um
die Delegitimierung der Prävalenz der Historischen Musikwissenschaft, der
abendländischen Musikgeschichte, und um die Gleichberechtigung aller Zweige der
Musikforschung gehen. Die Musikwissenschaft in der Postmoderne ist, über die
historische Forschung hinausgehend, nach unterschiedlichen Auffassungen des
Musikbegriffs jeweils mit heterogenen, sogar widerstreitenden Herangehensweisen zu
betreiben.
Der Forschungsbereich der Musikwahrnehmung, der in der Gegenwart zunehmend an Bedeutung
gewinnt,5
Vgl. De la Motte-Haber, H., Handbuch der Musikpsychologie, Laaber: Laaber, 2002,
S. 455–457.
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ist ein Beispielfeld, das bezüglich der Infragestellung der modernen Wissenschaftskonzeption
thematisiert werden kann. Wenn man die Musikwissenschaft ausschließlich als
Kulturwissenschaft im historisch-hermeneutischen Sinne erfasst, kommt der
Wahrnehmungsforschung im Gegenstandsbereich der Musik kein Platz zu, da die
Kulturwissenschaften bei den Neukantianern auf der Basis einer reduktionistischen
Auffassung des Begriffs der Kultur begründet worden sind: Die Kultur bildet Rickert
zufolge nicht den Gegenstand der Wahrnehmung, sondern den des Verstehens. Er
begreift den Gegenstand der Wahrnehmung als das bedeutungsfreie, unverständliche Sein
und Kultur im Gegensatz dazu als das bedeutungsvolle, verstehbare Sein. Demnach
schließt Rickert Psychologie von den Kulturwissenschaften aus. Bedenkt man jedoch den
Erkenntnisprozess der Musik, bildet die Erforschung der Musikwahrnehmung einen
wichtigen Zweig der Musikwissenschaft, da das Musikhören primär nichts anderes als das
Hörerlebnis bedeutet. Dilthey sah mit Recht den Ausgangspunkt für die menschliche
Erkenntnis im die Einheit von Innenwelt und Außenwelt, von Subjektivität und
Objektivität aufrechterhaltenden Erlebnis. Er begründet jedoch von diesem
Ausgangspunkt
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