Sprachverstehen ist demnach ein komplexer Prozeß, an dem gedächt-nisfunktionale Prinzipien, situative Faktoren und das Weltwissen des Re-zipienten gleichermaßen beteiligt sind. In gewisser Weise hat der Hörer dabei die Wahl zwischen verschiedenen Vorgehensweisen, oder besser Wahrnehmungsstrategien. Die Art des Verstehens und die Behaltensleistung hängen nämlich davon ab, a) worauf der Hörer seine Aufmerksamkeit ausrichtet (z.B. auf die syntaktische Richtigkeit oder den semantischen Gehalt des
Gehörten); (s. auch Kap. 3.1.1: die Rolle der Perspektive für das Verstehen)
Damit ist Sprachverstehen zu einem wesentlichen Teil ein konstruktiver und nicht nur ein analytischer Vorgang. Im Vergleich zum Kenntnisstand in der Psycholinguistik ist das Wissen um musikalische Verarbeitungsvorgänge eher dürftig. Zwar sind gerade unter dem Einfluß der Kognitionswissenschaft große Fortschritte gemacht worden, doch: "Der Versuch, ein übergreifendes theoretisches Modell für die Verarbeitung musikalischer Reize zu finden, ist bisher wenig erfolgreich gewesen." (Bruhn 1993b, S. 439) Bislang ist in erster Linie die Wahrnehmung einzelner musikalischer Parameter (Tonhöhe, Lautstärke, Klangfarbe, Dauer, Melodiegedächtnis, etc.; vgl. Nauck-Börner 1987) Gegenstand psychologischer Forschung gewesen. Verarbeitungsmodelle für die gleichzeitige Darbietung mehrerer Parameter und ihre gegenseitige Beeinflussung stehen noch weitgehend aus.
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