- 65 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
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abstrakteren, nur die Bedeutung der Aussage wahrenden Form abgespeichert wird, die man als Tiefenstruktur bezeichnen könnte (s. Hörmann 1976, S. 461).
Die Verarbeitung der Oberflächenstrukturen von Äußerungen ließ sich ebenfalls analog zu Chomskys Phrasenstrukturbäumen als hierarchisch gegliederter Vorgang bestätigen. In erster Linie mit Hilfe der sogenannten Klick-Experimente wurde gezeigt, daß der Hörer einen Satz während des Verstehensprozesses in solche Konstituenten unterteilt verarbeitet, wie sie sich in dem zugehörigen Phrasenstrukturbaum wiederfinden. Den Probanden wurden Sätze dargeboten, in denen an unterschiedlichen Stellen "Klick"-Geräusche eingefügt waren. Daß die linguistischen Einheiten auch funktionale Einheiten der Sprachverarbeitung sind, zeigte sich daran, daß die Versuchspersonen dazu tendierten, das Geräusch näher an der nächsten Konstituentengrenze zu lokalisieren als an der tatsächlichen Position (einen Überblick über die bisher durchgeführten Klick-Experimente gibt Stoffer 1981, S. 300 ff.).

Was die semantische Verarbeitung betrifft, so wurde schon erwähnt, daß sprachliche Informationen nicht in ihrer wörtlichen Form verfügbar bleiben. Grundsätzlich geht man heute davon aus, daß sie auf zwei verschiedene Arten umcodiert werden (s. Hörmann 1976, S. 461 ff.). Die Dual-Coding-Hypothese von Paivio besagt, daß konkrete Sätze (z.B.: Peter repariert das Grammophon) in anderer Form gespeichert werden können als abstraktes verbales Material (z.B.: Hans glaubt nicht an Wunder). Während der erste Beispielsatz auch in einen bildlichen Vorstellungscode "übersetzt" und damit quasi als Ganzes gespeichert werden kann, liegt das Ergebnis der Umcodierung des zweiten Satzes weit näher an der ursprünglichen verbalen Form (s. auch analoge und aussagenartige Codierung, Kap. 3.2.2.4) und stellt nach Paivio eine frühere Verarbeitungsphase dar als die Umcodierung in Vorstellungsbilder.
Die semantische Informationsmenge eines Satzes wird in Form von Propositionen beschrieben, die nach Meinung von Sprachwissenschaftlern auch gleichzeitig Gedächtniseinheiten darstellen.

Es existieren noch andere Erklärungsansätze (vgl. Grimm/Engelkamp 1981, S. 84 ff.). Ich stelle jedoch nur das propositionale Modell vor, da es besonders gut auch zur Erklärung musikalischer Sachverhalte herangezogen werden kann (s. Kap. 4.2).

Sie beschreiben unabhängig von der syntaktischen Form einer Aussage die Relationen zwischen Sachverhalten und bestehen aus

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