- 64 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
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Informationen in gleicher Weise Anwendung finden, Musik und Sprache eingeschlossen.
Die in den Gestaltgesetzen zum Ausdruck kommende Idee, daß das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile (= Kriterium der Übersummativität), spiegelt sich sowohl in sprachlichen wie in musikalischen Wahrnehmungsprozessen wider. So erhält beispielsweise eine Lautfolge erst als Ganzes (als Morphem bzw. als Wort) eine Bedeutung, die nicht auf die in ihr enthaltenen einzelnen Lautwerte zurückzuführen ist. Ebenso kann erst die Gestaltbildung dem Musikrezipienten eine fallende Melodielinie als solche sinnfällig machen.

3.3.2.2.2 Zur psychologischen Realität der Grammatik und die Rolle kognitiver Schemata für sprachliche und musikalische Verstehensprozesse

Es schließt sich die Frage an, ob auch auf höherem Verarbeitungsniveau Übereinstimmungen zwischen Musik und Sprache existieren. Im folgenden sollen kognitive Verarbeitungs- und Gedächtnisaspekte aufgrund der engen Verzahnung von Wissens- und kognitivem Bereich (s. Abb. 20, S. 61) gemeinsam betrachtet werden, zuerst für den Bereich Sprache und dann für die Musik.

Auf der Suche nach umfassenden kognitiven Verarbeitungsmechanismen hat man im Bereich der Psycholinguistik versucht, die psychologische Realität der in der Sprachwissenschaft entwickelten grammatischen Beschreibungsmodelle nachzuweisen, d.h. man überprüfte die Hypothese, daß die Chomskysche generative Transformationsgrammatik nicht nur deskriptiv, sondern auch kognitiv adäquat ist (s. Kap. 2.2.4, S. 20/21). Die sich anschließenden experimentellen Untersuchungen erbrachten das Resultat, daß in sprachlichen Verstehensprozessen tatsächlich so etwas wie eine Tiefen- von einer Oberflächenstruktur unterschieden werden muß, wenn auch die psychologische Realität der von Chomsky postulierten, zwischen den beiden Strukturen vermittelnden Transformationsregeln nicht nachgewiesen werden konnte (s. Anderson 1989, S. 293; Schwarz 1992, S. 141). Es wurde z.B. gezeigt, daß ein gehörter Satz nur für sehr kurze Zeit nach der Darbietung noch in seiner wörtlichen Form verfügbar ist und dann in einer


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