- 59 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
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sprachlichen und musikalischen Strukturaspekte (s. Kap. 2) werden vom Hörer tatsächlich wahrgenommen? Wie werden sie repräsentiert, und wie kann auf dieses Wissen zurückgegriffen werden? Es ist nicht erstaunlich, daß in diesem Rahmen die differenzierten Strukturbeschreibungen der Musiktheorie und insbesondere der Sprachwissenschaft oftmals als Ausgangspunkt für Hypothesen und Experimente benutzt werden.
Nach Darstellung einiger entwicklungspsychologischer Überschneidungen (Kap. 3.3.2.1) werden nun sprachliche und musikalische Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Speichermodelle (Kapitel 3.3.2.2) miteinander verglichen.

3.3.2.1 Entwicklungspsychologische Erkenntnisse

Psychologische Ähnlichkeiten zwischen Musik und Sprache finden sich bereits im kindlichen (Erst-) Spracherwerb bzw. im Erwerb des jeweiligen kulturspezifischen Musiksystems. So wie man heute Chomskys Postulat von linguistischen Universalien, die dem Kind als Spracherwerbsmechanismus angeboren sind, weitgehend anerkennt (s. Schwarz 1992, S. 105), setzt sich auch in der musikpsychologischen Entwicklungsforschung immer mehr die Ansicht von musikalisch-genetischen Universalien durch, die durch Umwelteinflüsse in eine kulturspezifische Musikauffassung umgeprägt werden (vgl. z.B. Osmond-Smith 1989, S. 89; Sloboda 1985; Serafine 1988; Bruhn/Oerter 1993, S. 280) (s. auch Abb. 4, S. 15). Universalien sind in diesem Sinne bestimmte mentale Strukturen, die die Verarbeitung von Musik ganz unterschiedlicher Kulturen ermöglichen und nicht Eigenschaften der musikalischen Struktur selbst (vgl. Dowling 1989, S. 249). Sowohl Sprache als auch Musik werden schließlich von allen Kindern erworben, sofern sie einem normalen Maß an sprachlichen und mu-sikalischen Darbietungen ausgesetzt sind und sofern keine hirnphysiologischen Störungen vorliegen. Auch im musikalischen Erwerbsprozeß ist spezielle Unterweisung weder notwendig noch ausreichend:

"Although it may facilitate some aspects of the [cognitive] processes, it is fair to say that it is probably a much less potent predictor of musical understanding than might be expected." (Serafine 1988, S. 234)


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