- 89 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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letzten Endes doch immer nur zur Popularisierung von Werken, die, wie gesagt, an und für sich nicht auf den Rundfunk zugeschnitten sind, also, was das Wesentlichere ist, auch nicht auf den Menschen des Radiozeitalters. Wir haben es dementsprechend doch immer nur mit einer Praxis zu tun, die aus zwei Gründen nur einen Teilerfolg zu zeitigen in der Lage ist: Es handelt sich nämlich einmal um Verbreitung von alten Werken, die gegebenenfalls genau so wie bei der Methode der früheren popularisierenden Volksbildung doch nur neben dem Seelenleben der Objekte solchen pädagogischen Tuns stehen werden, zum andern aber um eine Situation, die komplizierter ist als die soeben genannte, die wir zum Vergleich herangezogen haben. Denn bei letzterer drehte sich zwar auch alles um Verbreitung, also um eine Art des Vorgehens, deren Auswirkung letztlich gering sein mußte, aber immerhin doch um eine Arbeit mit geeigneten Mitteln. In unserm Falle aber verschwierigt sich die Lage zuungunsten des Rundfunks insofern, als nicht nur der Inhalt, sondern auch die angewandten Mittel den erwarteten Erfolg nicht herbeiführen können. Allemdemgegenüber bedeutet nun aber das musikalische Sendespiel nicht nur die Lösung der Frage nach dem Eigenstil des Radios, sondern auch darüber hinaus, was in unserm Zusammenhang wesentlicher ist, eine zweite Kunstform, die sich als Ausdruck unserer Zeit dokumentiert. Denn alles, was wir vorhin über den neuen Film und seine Musik gesagt haben, das gilt mit bestimmten Einschränkungen auch hier. Im vorliegenden Falle können dann aber auch alle Erfahrungen verwendet werden, die, wie soeben schon berichtet, erarbeitet worden sind, um mit Hilfe der Regiekunst bei der Sendung älterer Werke das nicht vorhandene Visuelle durch klangliche Eindrücke zu ersetzen. Entbehrlich werden solche Hilfsmittel erst dann, wenn nicht nur der Klang, sondern auch das bewegte Bild in jede Wohnung gesendet werden, wenn also die Verknüpfung von Tonfilm und Rundfunk gefunden sein wird. Bei der lawinenartigen Entwicklung der Technik ist mit der baldigen Bewältigung des Problems zu rechnen. Sie wird in ähnlicher Weise, wie wir es gegen Ende unserer Erörterung über den Tonfilm schon darlegten, in bezug auf die Entwicklung, die wir hier im Auge haben, zuerst eine gewisse Verzögerung mit sich bringen. Aus den gleichen Gründen aber, die wir oben nannten, wird der Umschlag erfolgen. Dann aber wird die neue Erfindung doch eine Erleichterung der künstlerischen Gestaltung gegenwartsgeschichtlicher Epik mit expressionistisch-musikalischen Illustrierungen bedeuten.


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