- 88 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Menschen an den großen Gegenwartskämpfen, die sie bewegen, auch den Tonfilm zwingen, sich den epischen Inhalten und Formen erneut zuzuwenden. Und dann wird diese neueste Erfindung sich tatsächlich als eine Erleichterung erweisen, den epischen Gegenwartsfilm mit seiner expressionistischen Begleitmusik zu gestalten.


Zum zweiten handelt es sich um das musikalische Rundfunksendespiel. Denn nicht minder als das Kino hat auch das Radio bei dieser Gestaltung des Ausdrucks heutigen Seins eine Aufgabe zu erfüllen. Es kann an dieser Stelle unmöglich seine ganze Problematik gelöst oder auch nur aufgerollt werden. Insbesondere müssen alle Erörterungen über Vortragswesen und Gespräche, über Objektivität, Werturteil und Propaganda sowie über die Tatsache ausgeschaltet bleiben, daß bisher innerhalb der Sendebereiche Deutschlands im wesentlichen nur sogenannte “erlaubte” Weltanschauungen zu Worte gekommen sind. Hier sei vielmehr nur an unsere Ausführungen am Ende des zweiten Unterabschnittes des zweiten Hauptteiles angeknüpft sowie an die Bemerkungen erinnert, die wir vor kurzem zu Beginn dieses vierten Unterabschnittes unseres vierten Hauptteiles machten. Wir wiesen dabei ja auf dies hin: Man muß selbstverständlich damit rechnen, daß der Rundfunk noch lange gezwungen sein wird, Musik der Biedermeierzeit und solche ähnlicher Natur zu senden. Jetzt aber handelt es sich um die Frage, die in unserm Zusammenhange viel wesentlicher ist, ob es für ihn eine Möglichkeit eigenen Stils gibt und inwiefern das Gebilde, das dabei zustande kommt, in das Gesamtbild der werdenden Kunst hineingehört. Die bisherigen Versuche haben sich vielfach darauf erstreckt, Werke zu senden, die an und für sich nicht für den Rundfunk berechnet und dementsprechend auch nicht auf ihn zugeschnitten waren, ohne dabei aber auf die Eigenart des Mikrophons Rücksicht zu nehmen. So wurden beispielsweise die Musiker in anderer Ordnung gesetzt, das Stärkeverhältnis der Instrumentengattung geändert, gegebenenfalls auch darüber hinaus eine Veränderung der Instrumentation vorgenommen, beispielsweise wenn man glaubte, die Nebengeräusche vermeiden zu müssen, die gegebenenfalls mit einem starken Blechbläserchor verknüpft sind. Oder aber die Rundfunkregie war darauf aus, das visuelle Bild, das bei der Aufführung im Theater gegeben ist, in akustische Eindrücke umzusetzen. Auf solche Weise sollte dem Hörer die Möglichkeit gegeben werden, trotz allem der Handlung folgen zu können. Aber alle diese Versuche verwenden das Radio


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