- 87 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Exkurs über dieienigen Kunstformen einfügten, um die es sich nicht handelt. Dann aber stehen deutlich erkennbar mehrere neue Kunstarten vor uns. Von ihnen besprechen wir zunächst drei Gattungen. Sie sind zwar in mehr denn einer Hinsicht Ausdruck der Zeit. Andererseits sind sie aber doch nicht spezifisches Symbol jener Dreiheit von Individuum, Bund und Massengebilde, die wir als ganz besonderes Charakteristikum unserer Epoche kennenlernten und die vor allem ihre künstlerische Ausgestaltung in demjenigen Gebilde gefunden hat, das wir an vierter und letzter Stelle zu nennen haben werden.


Da steht denn als erste Erscheinung, die zu erörtern wäre, diese da: Der gegenwartsgeschichtliche Massenfilm mit expressionistischer Begleitmusik, die ihm entspricht und eigens für ihn geschrieben ist. Er ist inhaltlich Ausdruck der Art des Verknüpftseins der heutigen Menschen, die ihre Repräsentation im Kollektivistisch-Epischen und nicht im Individualistisch-Dramatischen findet. Er kann es aus mehreren Gründen sein: Einmal entspricht der Film der Haltung, dem Tempo und dem Nervensystem der heutigen Menschen. Auch leitet ihn seine innerste Stilgesetzlichkeit nicht auf das Dramatische hin. Denn eigentlich nur um des äußeren und ökonomischen Erfolges willen sowie den Nachahmungsgesetzen entsprechend, hatte er sich bestrebt, es der dramatischen Kunst gleichzutun, nicht aber einer Einsicht in sein eigenes Wesen folgend. Letzteres weist ihn vielmehr auf das Epische hin. Und hierbei kann die Musik die Rolle spielen, die ihr zukommt. Ihr hatte ja zuerst der Impressionismus die nötige Vorarbeit für die gewünschten Klangkombinationsmöglichkeiten geleistet. Danach hat der Jazz Töne gebracht, die dem Ohre des heutigen Großstadtbewohners entsprechen. Unter Verwendung alles dessen, was somit gegeben ist, kann dann jetzt die expressionistische Begleitmusik zu dem Film geschrieben werden, der gleichfalls der heutige ist. Ihre Gesetze und Aufgaben werden sein: Zunächst negativ: ausdrücklicher Verzicht auf alles nur oder primär Melodische. Denn es verstärkt den Eindruck nicht, sondern lenkt in diesem Zusammenhange ab. Dann aber positiv: illustrative Unterstreichung der entscheidenden Momente der epischen Handlung. Die Entwicklung zum Tonfilm kann gegebenenfalls eine Zeitlang diesen Prozeß aufhalten. Wird sie doch möglicherweise zunächst einmal erneut das Dramatische hervorheben Diese Bewegung ist vielleicht vorläufig nicht zu hemmen. Danach aber, also nach einer solchen Episode, wird das Interesse der


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