- 8 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (7)Nächste Seite (9) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



Teil ganz anders als früher. Ja die Situation ist eine so andere geworden, daß selbst das Wort Technik heute auf die Musik in anderm Sinne angewandt wird als früher. Man hatte bisher unter Technik entweder die Art der Tonaneinanderreihung, die Struktur eines Stückes (Technik der Komposition) oder einen bestimmten Fertigkeitsgrad, die spezifische Eigenschaft musikalischer Instrumente und ihre psychologische Rückwirkung (Technik des Gesangs oder des Instrumentalspiels) verstanden. Heute begreifen wir unter Technik viel mehr den Prozeß des Bewegungsablaufes, die Art der Tonerzeugung und der Tonwiedergabe (Technik der mechanischen und maschinellen Wiedergabe). Gewiß sind uns auch die Technik der Komposition und des Gesangs oder des Instrumentenspieles nicht gleichgültig geworden, aber sie scheinen uns viel selbstverständlicher und vor allem viel mehr eine natürliche Folge des Übungsprozesses, während die Technik der mechanischen Wiedergabe, der Übertragung von Klängen als wirkliches Erfinderproblem unser besonderes Interesse in Anspruch nimmt.


Der Einbruch der Technik in die Kunst ist von der Musikerschaft nicht enthusiastisch begrüßt worden, dazu zerstört er zu viele, lang erworbene und streng gehütete Rechte und Werte. Gerade der verblüffende Effekt der Technik des Instrumentalvirtuosen wird z.B. durch die automatisch genaue mechanische Wiedergabe bis zu einem hohen Grade entwertet. Auch sozial-wirtschaftliche Schwierigkeiten größten Ausmaßes ergeben sich durch diesen Einbruch. Aber sowenig wie der Prozeß künstlich aufzuhalten ist, sowenig auch ist er in seiner Wirkung unbegrenzt. Man hüte sich davor, das Neue, das durch den Prozeß der Technisierung für die musikalische Komposition und für das musikalische Erleben erreicht werden kann, zu überschätzen. Die Klänge lassen sich nicht restlos mechanisieren und technisieren, sie beanspruchen, um überhaupt als künstlerisch gewertet zu werden: Freiheit der Bewegung, Freiheit des Ausdrucks, Freiheit der Form.


Kunst und Technik werden nie ganz eins sein können, sowenig wie Seele und Geist. Es gibt keine Möglichkeit zur völligen Verschmelzung beider Begriffe. Auf diese polaren Gegensätze, die wir uns immer wieder klarmachen müssen, weist Ernst Cassirer in seinem Beitrag so nachdrücklich und überzeugend hin, daß eine weitere Ausführung sich hier erübrigt. Aber auf diese philosophische Grundeinstellung kommt


Erste Seite (1) Vorherige Seite (7)Nächste Seite (9) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 8 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik