- 7 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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und gepriesen. Kaum daß einmal ein scheuer Seitenblick auf die Kunst und ihre Gesetze gewagt wurde! Nachdem die reine Freude an der technischen Erfindung verrauscht war, sah man sich nach der Gestaltung der technischen Neuerungen um, und jetzt erst besann man sich auch auf die Kunst. Mit diesem Moment beginnt der Einbruch der Kunst in die Technik. Er ereignet sich zunächst im Film. Wenn es gilt, das Stoffliche aus dem Wesen des Materials heraus zu gestalten, dann tritt das rein künstlerische Gestaltungsmoment in seine Rechte. Immer wieder nur die erfundene Bewegung oder Materialmischung vorzuführen, rein technisch ablaufen zu lassen, wäre selbst dem von der Technik begeisterten Menschen des 20. Jahrhunderts langweilig. Er fordert, daß mit der neuen Materialmischung ein organischer Prozeß, eine Gestaltwerdung sich vollzieht, durch die erst die technische Erfindung ihren vollen Wert erfährt. Die Kunst wird also dazu benutzt, das technische Material auszugestalten. Die erste Stufe dieses Prozesses der Einbeziehung der Kunst ist durch die naive ästhetische Freude an der Maschine, am sich bewegenden Material gekennzeichnet. Die höchste Stufe ist erreicht, wenn die technischen Mittel in der künstlerischen Form aufgehen, in ihr geradezu verschwinden. Stummer Film und Radio haben bereits oft eine Form künstlerisch-technischen Angleichens erreicht; auch die Schallplatte ist vom Einbruch der Kunst in die Technik erfaßt, obwohl gerade hier die Trennung zwischen technischer Erfindung und künstlerischer Neugestaltung noch sichtbar bleibt: es ist bezeichnend genug, daß die Schallplattenindustrie kulturelle Interessen in besonderen “Kulturabteilungen” bearbeitet.


So ist die Bezogenheit von Kunst und Technik im wesentlichen bedingt durch die Verwendung der neuen technischen Erfindungen für mittelbar künstlerische Zwecke. Das Mikrophon, die Übertragung und Aufnahme von Tönen, das Photographieren von Klängen, die Synchronisation von Klang und Bild, alles dies ist zunächst unendlich wichtiger als der rein künstlerische Prozeß der Tonanordnung.


Wir sprachen von einem Einbruch der Kunst in die Technik; wir müssen aber auch den Einbruch der Technik in die Kunst feststellen. Dieser Einbruch ist mit elementarer Gewalt in den letzten Jahren erfolgt; er hat die Wandlung unserer Musikorganisation zumindest beschleunigt, wenn nicht gar bedingt. Die Wiedergabe von Musik vollzieht sich heute durch den Wandel technischer Formen zum großen


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