- 79 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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ihrer Kontrapunktik und in der Ungebrochenheit der Personen solcher Stücke, die alle anders struktuierten Epochen entsprechen, den Ausdruck ihres Seins erblicken können. Demgegenüber können in positiver Hinsicht weitere vier Folgeerscheinungen gebucht werden:


Zum ersten: gleichzeitig mit dem Eindringen von Geist und Praxis der Jugendbewegung in die Gefilde der Kinderschule, der Jugendpflege und der Fürsorge, und zwar in Form einer Erziehung, die auf dem Prinzip der gegenseitigen Ergänzung und Hilfe aufgebaut wird, ist auch die neue Klangbezogenheit dorthin gelangt, und zwar in Gestalt einer Anknüpfung der Musikerziehung an Körperrhythmus, Atmung und musikalische Eigenproduktivität der Menschen. Zum zweiten stellt das Laienspiel eine praktische Antwort dar auf die Frage: Was tritt an die Stelle des zusammenbrechenden individualistischen Theaters bürgerlich gewordener Berufsschauspieler. Zum dritten bedeuten Reigentanz und die gleichzeitig hiermit gestaltete neue Tracht des Schillerkragens, des Kittels und der kurzen Hose, die alle die naturgegebenen Körperformen betonen, eine Wiedergeburt des Leibes. Viertens aber erscheint letzterer hier nicht isoliert, sondern wie in den Anfängen der Kunst in der Verknüpftheit mit Wort und Klangkunst.


Stellen wir beides, das Negative und das Positive, zusammen, so ergibt sich das Problem: Können diese so entwickelten Verhaltungsarten über diese Grenzen hinaus, das heißt also in andere Zusammenhänge eingegliedert, aktiviert werden? Vor Beantwortung dieser Frage ist aber noch dem andern Vorläufer ein Blick zu widmen.

2. Der musikalische Impressionismus ist in Hinsicht auf seine Entstehung und auf diejenigen unter seinen verschiedenen Eigenarten, die im Zusammenhange unserer Fragestellung nach der Vorläuferschaft des Kommenden beachtenswert sind, so anzusehen: Die Romantik war musikalisch nicht in solchem Maße wie innerhalb anderen Sphären in eine Verabsolutierung bestehender Vergesellschaftungsgebilde, wie Staat und insbesondere Kirche, ausgelaufen. Sie war vielmehr in der Linie weitergeschritten, die durch ihr voraufgehendes subjektivistisches Stadium angedeutet worden war. Die ganz persönliche, lyrische Stimmung wird das Entscheidende. Zu ihrer künstlerischen Wiedergabe bedarf es aber veränderter Ausdrucksformen. Dementsprechend kommt es denn auch in dieser Hinsicht zu Neuerungen. Sie treten uns besonders entgegen in Gestalt einer Lockerung derjenigen Bindungen, die durch Barock und Klassizismus geknüpft worden waren. Diese


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