- 77 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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die in erster Linie vom Spezialwissenschaftler für Fachgenossen abgefaßt wurde. Daraus ergaben sich aber mit der Zeit mehrere gesellschaftliche Auswirkungen. Zunächst einmal stellte man, um als Sachkenner zu erscheinen, hohe Forderungen. Dem Publikum lagen alle diese Specialia von Hause aus ganz fern und es erfreute sich naiv an den Darbietungen. Durch die geschilderte Art der Kritik wurde es aber dazu erzogen, dies nicht zu tun. Vielmehr suchte man sich jetzt dadurch einen Anstrich von Bildung zu geben, daß man unzufrieden war und immer größere Ansprüche stellte. Dies ist mit eine der Ursachen der Steigerung der Unkosten und der dadurch gegebenen Schwierigkeit, Opernhäuser überhaupt aufrechtzuerhalten, wovon wir in anderm Zusammenhang schon sprachen. Jene Kritiker aber entstammen einer akademischen Umwelt und damit einer liberal-humanistischen Tradition. Derartiger Mentalität entsprechend, erblicken sie, ebenso wie dies viele ihrer Zeit- und Gesinnungsgenossen in bezug auf wissenschaftliche Leistungen tun, schon in dem Vorhandensein von Kunstwerken von Rang sowie in Spitzenleistungen der Wiedergabe an und für sich einen Wert und einen Maßstab für den Grad der Kultur, und sie fragen höchstens erst in zweiter Linie nach dem Niveau der Massen, nach Anzahl und Bezogenheitsform der Menschen, die für jene Darbietungen in Frage kommen. In jeder Hinsicht trägt also diese Art von Kritik dazu bei, den bestehenden Zustand als den selbstverständlichen erscheinen zu lassen und dementsprechend zu verewigen.


Bevor wir uns nun aber dem Problem zuwenden, was denn nun an die Stelle dieses Zustandes treten wird, ist noch eine Zwischenbemerkung einzuflechten.


III


Wir müssen zunächst in diesem unserm dritten Hauptteil fragen: Hat es schon während der geschilderten Entwicklung Vorläufer einer werdenden Musikwelt gegeben? Von solchen kommen insbesondere zwei in Frage: die Jugendbewegung und der musikalische Impressionismus.


1. Es kann an dieser Stelle, das heißt in diesem ersten Unterabschnitt des dritten Hauptteils nicht unseres Amtes sein, Wesen und Entwicklung der Jugendbewegung zu schildern. Nur soviel sei gesagt: Sie stellt einen Gegenschlag dar gegen eine Seinsart des endenden 19.Jahrhunderts,


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