- 6 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Die Maschine demokratisiert den Lebensbedarf an Gütern, der Motor demokratisiert die Lebensbewegung. Durch die Maschine ist die Technik der Wirtschaft, durch den Motor dem Verkehr und Sport eng verbunden. Kein Wunder, daß den Menschen alle technischen Fragen und Probleme heute so lebhaft interessieren, denn in ihnen sieht er ja sein demokratisches Zeitideal verkörpert. Wir wollen uns gewiß davor hüten, jener Neigung zu oberflächlicher Generalisierung, zu Alltagsschlagworten wie dem “Jahrhundert der Technik”, der “Fortschreitenden Mechanisierung”, der “Materialisierung der Masse” nachzugehen, aber die Furcht, dem äußerlichen Tempo der Zeit anheimzufallen, darf uns nicht dazu führen, die Dinge anders zu sehen, als sie sind. Was heute lebensaktiv in die Gestaltung der Welt eingreift, sind in erster Linie Technik, Wirtschaft, Sport. Die Überfliegung des Ozeans ist von der Menschheit mit größerer Anteilnahme verfolgt worden als irgendein kulturelles, geistiges Problem.


Der Mensch, welcher Technik, Wirtschaft und Sport, diese lebensnützlichen, lebenstüchtigen Formen, aufnimmt, ohne daß seine Aufnahmebereitschaft auch nur einen Moment erlahmte, verhält sich heute der Kunst gegenüber reserviert und verweigert ihr die ständige Gefolgschaft. Einmal sieht er die Lebenstüchtigkeit und Lebensnützlichkeit der Kunst nicht ein, zudem scheint sie dem demokratischen Zeitideal nicht ohne Schwierigkeiten einfügbar. Der Kunst haftet auch heute noch der Hauch des Aristokratischen an, sie widersetzt sich, trotz aller Volksbildungsbestrebungen, der Anpassung an die Volksmasse. Die Kunst steht abseits der Zeitbewegung als das Aschenbrödel unter den Lebensformen; sie, deren Besitz das Vorrecht einzelner Auserwählter zu sein scheint, liegt deshalb nur ganz am Rande der Interessensphäre der Allgemeinheit; sie ist antidemokratisch, ja im Grunde fast antitechnisch. Die Kunst, das Reich weniger, die Technik, das Reich aller, wie sollten diese heterogenen Gebiete eine Verbindung eingehen können?


Diese Frage scheint zunächst sehr berechtigt. Denn die tatsächlichen großen Erfolge der technischen Neuerungen vollzogen sich ohne jeden Bezug auf das Künstlerische. Die Entwicklung der Technik nahm naturgemäß nicht die geringste Rücksicht auf ästhetische Grundbegriffe. Der Film, der Funk, die Schallplatte, sie traten zunächst als rein technische Sensationen auf. Die neue Art der Übermittlung, der Raumüberwindung, der Bewegung wurde in ihrem technischen Vorgang gezeigt


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