- 435 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Totes, nichts Materialgebundenes, das im Kern eine Hemmung für das geistig-seelenhafte Prinzip bedeutet. Im Gegenteil: der Rundfunk ist Ohr und Mund des Menschen, ins unendliche verlängert. Er, wie alle die andern technischen Mittel, unterdrücken nichts, sie bringen nur eine Wirksamkeit der von Menschen geschaffenen und von ihnen ausgehenden Werte über die bisherigen Grenzen hinaus. Mechanisierung wäre: wenn zum Beispiel an Stelle eines durch einen Menschen vorgenommenen Klavierspiels durch Schallplatte, Tonfilm oder Rundfunk das von vornherein technisch bedingte Spiel, etwa eines Welte-Mignon-Klaviers, verbreitet würde, das wiederum dann auch nicht Wiedergabe einer pianistischen Leistung sein dürfte, sondern bei dem die klavieristische Technik von dem Apparat übernommen wäre; wofür es ja bekanntlich einzelne interessante Beispiele gibt. Aber selbst dann darf man nur mit Vorsicht von einer Mechanisierung sprechen: weil ja auch diese Wirkungen wiederum, ausgehend von der Intention des Komponisten, künstlerisch bestimmt sind. Es wäre sehr gut, wenn man das Wort “Mechanisierung” überhaupt auf diesem Gebiet streichen würde; es hat viele Irrtümer verursacht.


VIII


Betrachten wir nun die wahren Kennzeichen der Technisierung an den einzelnen Stellen genauer. Das Gebiet der Vermittlung von Musik nimmt dabei eine besondere Stellung ein, und zwar deshalb, weil dort der Vorgang einer naturgetreuen Reproduktion schon relativ viel weiter gediehen ist als zum Beispiel beim Film, wo auch heute noch das wesentliche Merkmal der Farbe im ganzen fehlt. Vor allem aber tritt die Reproduktion und technische Verbreitung von Musik von vornherein mit dem eigentümlichen Anspruch auf, das historisch vorhandene Werk als solches möglichst vollkommen darzustellen. Dieses Moment der Wiedergabe vorhandener, durch Menschen erfolgter Reproduktion von gegebenen Kunstwerken ist ja zum Beispiel für den Film weit weniger bezeichnend. Rundfunk und Schallplatte wollen nicht oder nur zum allergeringsten Teil Neues schaffen — sie wollen vielmehr Nachgeschaffenes vervielfältigen. Das gleiche beim Film zum Beispiel würde bedeuten: daß dieser zur natürlichen Aufgabe hätte, etwa vorhandene Theatervorstellungen festzuhalten; was ja bekanntlich nicht der Fall ist. Dieser Unterschied liegt im Wesen dieser


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